Asylsuchende beraten und sie in den künftigen Verfahren in den Bundeszentren und vor Gericht vertreten: Die Asylreform dürfte Arbeit für über 150 Juristinnen und Juristen bringen. Der Bund wird den Auftrag öffentlich ausschreiben. Schon jetzt ist klar: Interessenten gibt es genug.
So zum Beispiel die Schweizerische Flüchtlingshilfe: «Natürlich haben wir daran Interesse», sagt Mediensprecher Stefan Frey. «Wir sind sehr gespannt auf die Ausschreibung, die wir demnächst erwarten.»
Die Ausgangslage für seine Leute ist komfortabel, denn die Flüchtlingshilfe ist seit zwei Jahren verantwortlich für die Rechtsvertretung im Asyl-Testzentrum Zürich. Dort erprobt der Bund die schnelleren Verfahren mit kostenlosem Rechtsbeistand. Aufgrund dieser Erfahrung, «haben wir vielleicht einen gewissen Vorteil», so Frey.
Den Auftrag für das Testzentrum hatte sich die Flüchtlingshilfe in einer öffentlichen Ausschreibung geangelt. Sie offerierte einen Preis von 1360 Franken pro Asylsuchenden und stach damit die Caritas und das Hilfswerk Heks aus.
Für Hilfswerke steht viel auf dem Spiel
Heks-Vertreter Dieter Wüthrich lässt sich von der damaligen Niederlage nicht beirren. «Die Rechtsberatung von asylsuchenden Flüchtlingen gehört zu unseren Kernkompetenzen», sagt er. Da sei es nur folgerichtig, «dass uns dieses Thema im Zusammenhang mit diesem Mandat interessiert».
Für die Hilfswerke geht es um viel. Heute sind ihre Leute bei Asylanhörungen dabei und werden dafür entschädigt. Dieser Auftrag fällt mit der Asylreform weg, den Hilfswerken gehen wichtige Einnahmen verloren. Die Rechtsvertretung wäre ein Ersatz. Bei den heutigen Asylzahlen geht es um Aufträge in der Höhe von über 50 Millionen Franken pro Jahr.
Konkurrenz aus der Anwaltskanzlei
Allerdings müssen die Hilfswerke bei der Ausschreibung mit Konkurrenz rechnen: Auch private Anwaltskanzleien seien interessiert, sagt René Rall. Er ist Generalsekretär des Schweizerischen Anwaltsverbands. Von knapp 10'000 Anwälten und Anwältinnen in der Schweiz seien rund 320 im Ausländer- und Asylrecht tätig. «Es gibt somit eine Sensibilität und ein Interesse aus der Anwaltschaft», so Rall.
Der Bund dürfe nicht einseitig auf einen möglichst tiefen Preis setzen, sagt der Verbandsvertreter. Denn das begünstige die Hilfswerke, die häufig aus ideellen Motiven tätig seien. «Am Ende darf nicht alleine das persönliche Engagement des Anwalts übrigbleiben», so Rall. Das sei bei tiefen Pauschalen aber zu befürchten. Ebenso wichtig wie der Preis seien Kompetenz und Unabhängigkeit der Anwälte.
«Keine rein kommerzielle Betrachtung»
Frey von der Flüchtlingshilfe ist wenig begeistert von der privaten Konkurrenz. Hilfswerke seien besser geeignet für den kommenden Asylauftrag, sagt er. «Man muss ein gewisses Sensorium für Menschen haben, die aus ausserordentlichen Situationen zu uns kommen und Schutz verlangen. Ich bin mir nicht sicher, dass das in einer rein kommerziellen Betrachtungsweise Platz hat».
Beim Bund war heute nichts zu erfahren über Zeitpunkt und Kriterien der Ausschreibung. Zu erwarten ist, dass er das Anwaltsmandat in verschiedene regionale Teilaufträge aufteilen wird.