Seit in den 1990er-Jahren der Rinderwahnsinn grassierte, ist es verboten, Tiermehl aus Schlachtabfällen zu verfüttern. Doch bei der Tierhalteindustrie und der Politik denkt man darüber nach, das Verbot zu lockern. Tiermehl solle zumindest bei Schweinen und Geflügel wieder zugelassen werden.
Dagegen wehrt sich der renommierte Wissenschaftler Adriano Aguzzi im Gespräch mit SRF vehement. Er ist Professor für Neuropathologie am Universitätsspital Zürich. Aus der BSE-Krise der 1990er-Jahre habe man eine «bittere Lektion» gelernt: Der Erreger des Rinderwahnsinns sei sehr schwer zu inaktivieren und Tiermehl sei ein geeigneter Vektor für den Erreger. Deshalb hält es Aguzzi nicht für angebracht, wieder Tiermehl aus Schlachtabfällen zu verfüttern.
Der Mensch hat ein kurzes Gedächtnis
Mindestens die Hälfte seiner jetzigen Studenten hätten nie etwas von Rinderwahnsinn gehört, gibt der Professor zu bedenken. Seit der BSE-Krise sei schon fast eine Generation vergangen. «Das institutionelle Gedächtnis geht verloren.» Die Menschen erinnerten sich nicht mehr an die Ursachen des Rinderwahnsinns. «Das birgt die Gefahr, dass man die gleichen Fehler wiederholt.»
Am gefährlichsten wäre es laut Aguzzi, wenn Schlachtabfälle von Rindern zu Tiermehl verarbeitet und dann wieder an Rinder verfüttert würde. Das stehe zum Glück nicht zur Diskussion. «Ich halte aber das, worüber zurzeit diskutiert wird, auch nicht für unbedenklich», stellt der Professor klar.
Nicht alle halten sich an die Vorschriften
Zwar wird nicht darüber debattiert, Tiermehl an Rinder zu verfüttern oder Rinder zu Tiermehl zu verarbeiten. Dennoch hält Aguzzi die aktuelle Diskussion für «super gefährlich». «Wenn Tiermehl wieder in den Umlauf kommt, dann wird es einen Sekundenbruchteil dauern, bis irgendein Schlaumeier beginnt, seine Rinder damit zu füttern», glaubt er. «Das können wir uns nicht leisten.»