Die Klägerin kommt aus Genf und arbeitet seit acht Jahren bei der SBB. 2010 wird sie schwanger und fehlt in diesem Jahr an insgesamt 306 Tagen.
61 Tage davon war sie krank, 101 Tage hatte sie Mutterschaftsurlaub und 144 Tage vor der Geburt durfte sie aus Gesundheitsgründen nicht arbeiten. 2013 bekommt sie ihr zweites Kind und bleibt wieder lange zu Hause – 122 Tage aufgrund des zweiten Mutterschaftsurlaubes und 65 Tage wegen Krankheit.
In den beiden absenzenreichen Jahren verweigert ihr die SBB jeweils eine Lohnerhöhung. Das sei unmöglich, findet die Frau, denn ihre Arbeit schneide in Bewertungen gut ab und Arbeitskollegen in ähnlicher Stellung bekämen mehr Geld. Sie hingegen fühle sich diskriminiert – als Mutter, als Frau.
Wird der Mutterschaftsurlaub angerechnet oder nicht?
Völlig normal, findet auf der anderen Seite die SBB. In ihrem Personalreglement stehe schliesslich, dass Angestellte, sie sechs Monate oder mehr fehlten pro Jahr, kein Recht hätten auf eine Lohnerhöhung.
Nun gut, antwortet die Klägerin. Aber den Mutterschaftsurlaub dürfe man nicht anrechnen an diese sechs Monate – sonst wären Frauen ja von Natur aus im Nachteil beim Thema Lohnerhöhung. Werden sie nämlich Mutter, fehlen sie für mindestens vier Monate – und kommen danach viel schneller auf sechs Monate Abwesenheit als Männer.
Zählt der Mutterschaftsurlaub mit, wenn es darum geht, wie lange jemand fehlen und trotzdem mit mehr Lohn rechnen darf? Dies war die heisse Frage, die fünf Richter nun in einem nüchternen Saal des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen beantwortet haben.
Laut Richtern eine «gerechtfertigte Diskriminierung»
Die drei Männer und zwei Frauen kamen – mit einer knappen Mehrheit von drei zu zwei Stimmen – zu einem überraschenden Schluss: Die SBB habe die Klägerin zwar indirekt diskriminiert, aber diese Diskriminierung sei gerechtfertigt.
Zwar seien Frauen potenziell im Nachteil gegenüber Männern, wenn man den Mutterschaftsurlaub bei der Berechnung der lohnrelevanten Absenzen dazuzähle. Aber der Mutterschaftsurlaub dauere ja nur vier Monate, nicht sechs – und damit würden Mütter nicht a priori ausgeschlossen von Lohnerhöhungen und Frauen somit nicht a priori diskriminiert.
Gewerkschaft der Bahnangestellten ist enttäuscht
Vincent Brodard von der Gewerkschaft des Verkehrspersonals SEV sagt nach dem Urteil, der SEV überlege sich nun, vor Bundesgericht zu gehen: «Wir sind im Moment enttäuscht von dieser Entscheidung. Das Gericht hat eigentlich gesehen, dass eine Diskriminierung besteht, aber die Konsequenz nicht gezogen.»
Viele Unternehmen – staatliche und private – kennen Bestimmungen, wonach Angestellte nicht allzu lange abwesend sein dürfen, wenn sie mehr Lohn wollen. Bis auf weiteres können diese also bestehen bleiben.