SRF News: Wie hat sich das Klima zwischen der Schweiz und Indien seit dem Amtsantritt des neuen Premiers Narendra Modi verändert?
Karin Wenger: Es hat sich sehr stark verändert, und das zum Positiven. Vor allem, wenn es um Wirtschaftsfragen geht. Vor einem Jahr stand im Grunde alles still; die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen bewegten sich überhaupt nicht. Jetzt sprechen Schweizer Unternehmer von Aufbruchstimmung. Beispielsweise ist vieles deutlich unbürokratischer geworden. Problematisch bleiben die ganz grossen Baustellen, wie die Infrastruktur oder die Hindernisse, wenn eine Firma Land kaufen und eine Fabrik aufstellen will.
Sie würden also sagen: Die Chancen für ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und Indien haben sich deutlich erhöht?
Ich würde sagen, dass diese Chancen überhaupt erst wieder existieren. Vor einem Jahr sprach man darüber gar nicht mehr, das hat sich geändert. Man muss aber auch realistisch sein: Das Freihandelsabkommen wurde angesprochen; die Handelsministerin wusste aber noch nicht einmal, wann die Diskussionen wieder aufgenommen werden. Das heisst: Das heute war ein Beschnuppern mit der neuen Regierung.
Auch Vertreter von in Indien tätigen Schweizer Unternehmen sind beim Treffen dabei. Aus welchen Branchen kommen diese?
Aus ganz unterschiedlichen. Einerseits die Pharmaindustrie, die Banken, Maschinenbau, oder auch die Textil- und Elektroindustrie. Daneben gibt es auch Vertreter von Cleantech, also die «grüne Industrie», die etwa im Solarbereich tätig ist. Die grüne Technologie erlebt momentan in Indien eine Blüte, weil sich Premier Modi sehr stark dafür einsetzt. So will er beispielsweise den Ganges säubern.
Vor einem Jahr sprach man gar nicht mehr über das Freihandelsabkommen. Das hat sich geändert.
Und was erhoffen sich die Schweizer Unternehmen konkret vom Besuch des Wirtschaftsministers?
Wirtschaftspflege, Kennenlernen, etwa der neuen Minister. Es geht auch um Problemlösungen. Ein Bankenvertreter hat mir etwa erzählt, sie bräuchten eine Lizenz. Jetzt hofft er, beim Treffen mit dem Finanzminister weiterzukommen.
Welches sind denn die heikelsten Dossiers zwischen der Schweiz und Indien?
Bezüglich des Freihandelsabkommen ist der grösste Stolperstein der Schutz des geistigen Eigentums. Die Schweizer Pharmaindustrie sagt ganz klar: «Wenn dieser Schutz nicht gewährleistet ist, wollen wir kein Abkommen.» Die Schweizer Uhrenindustrie will die «Marke Schweiz» schützen. Auch hier gibt es Defizite. Die anderen Industrien, beispielsweise die Metallindustrie, will einen Abbau der Zollschranken. Klar ist aber, ein bisschen Vorsicht ist geboten. Das Freihandelsabkommen wird zwar langsam wieder aufgerollt. Aber seit 2008 spricht man darüber. 2011 war Schneider-Ammann in Indien und äusserte sich optimistisch, dass es bis Ende Jahr zu einem Abschluss kommt. Jetzt haben wir 2015 – und es wird immer noch verhandelt.
Das Gespräch führte Iwan Santoro.