Sollte die Schweiz mehr bei Konflikten im Ausland vermitteln und sich bei der UNO stärker engagieren oder der Nato annähern? Die Zustimmung zu diesen Fragen steigt erstmals, nachdem sie in den vergangenen Jahren stets gesunken war. So finden beispielsweise fast 80 Prozent der Befragten, die Schweiz sollte sich bei internationalen Konferenzen stärker einbringen.
«Burkhalter-Effekt» zieht weite Kreise
Das sei eine Folge der Schweizer OSZE-Präsidentschaft unter Aussenminister Didier Burkhalter, sagt der Autor der Sicherheitsstudie der ETH Zürich, Tibor Szvircsev Tresch. Burkhalter hatte im Ukraine-Konflikt an vorderster Front vermittelt.
«Wenn ein Ereignis immer wiederkehrt, hat das einen grossen Einfluss auf die Meinung Bevölkerung.» Der Ukraine-Konflikt sei im Jahr 2014 ein Dauerthema gewesen und Burkhalters Präsenz in den Medien gross. Die Studienverfasser sprechen deshalb von einem «Didier-Burkhalter-Effekt».
Dieser Effekt ziehe weitere Kreise: Selbst der EU steht die Schweizer Bevölkerung laut Umfrage anfangs 2015 etwas weniger skeptisch gegenüber als auch schon – trotz Ja zur Masseneinwanderungsinitiative, trotz Ringen mit Europa um die Umsetzung der Initiative.
21 Prozent der Befragten für EU-Beitritt
Militärsoziologe Tresch erklärt das so: Wenn die Bereitschaft zu einer weicheren Form der Zusammenarbeit, etwa an internationalen Konferenzen, steige, dann wachse auch die Öffnungsbereitschaft gegenüber der EU oder der Nato. Aber man müsse «ganz klar sagen», dass die Zustimmung für einen EU-Beitritt immer noch sehr tief sei, im Vergleich mit anderen Jahren.
So sprechen sich beispielsweise nur 21 Prozent der Befragten direkt für einen EU-Beitritt aus. Das sind vier Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor – ein Wachstum auf sehr tiefem Niveau.
Allerdings zeigt die ETH-Sicherheitsstudie in Fragen der europäischen Integration erstmals seit etwa fünf Jahren wieder zaghafte Zeichen der Öffnung. Das gilt auch für die Frage, ob sich die Schweiz der EU politische stärker annähern soll.
Trendwende im Jahr 2016?
Noch sei es aber zu früh, von einer Trendwende zu sprechen, sagt Tresch. Im Moment laufe die Diskussion über das Verhältnis der Schweiz mit der EU. «Ich denke, Ende 2015 werden wir hier mehr Klarheit haben.» Ob die Zahlen im Jahr 2016 aber dann wirklich weiter Richtung Zustimmung tendieren, müsse sich erst noch zeigen.
Fürs Erste steht fest: Die Schweizer Bevölkerung gibt sich nach einem Jahr im OSZE-Rampenlicht öffnungsbereiter als auch schon. Auch trotz – oder vielleicht gerade wegen – intensiver europapolitischer Diskussionen.