Es hat lange gedauert, bis die Familie Schwarzmann nun endlich entschädigt wird. Roland Schwarzmann gelangte ein halbes Jahr vor seinem Tod vor über acht Jahren ans Sozialamt Glarus. Als schwer kranker Mann. Er ersuchte um Schadenersatz und Schmerzensgeld. Nun hat die Glarner Regierung entschieden, dass seinen Hinterbliebenen rund 140‘000 Franken Entschädigung und Genugtuung zustehen.
«Endlich zeigt jemand Verantwortung»
Anfang der 70er-Jahre hatte Schwarzmann als Jugendlicher in seinen Schulferien für die Firma Eternit AG in Niederurnen gearbeitet und dabei Asbeststaub eingeatmet.
Im Alter von 46 Jahren erkrankte er schliesslich an Brustfellkrebs (Mesotheliom), der nachweislich durch Asbestfasern verursacht wird. Im Jahre 2007 verstarb er an den Spätfolgen der Asbestvergiftung.
Für die Opferfamilie sei der Entscheid ein wichtiges Zeichen, sagt Sohn Markus Schwarzmann gegenüber «Schweiz aktuell». Endlich zeige man Verantwortung: «Es ist für uns eine grosse Genugtuung, dass endlich jemand hin steht – auch wenn es der Staat ist – und sagt: Ja, es ist etwas geschehen und wir entschädigen die Menschen, denen dies geschehen ist.»
Bundesgericht korrigiert Glarner Justiz
Die Firma Eternit (Schweiz) AG kommentiert die Zahlung gegenüber «Schweiz aktuell» in schriftlicher Form: «Beim Entscheid (…) des Kantons Glarus geht es um ein auf dem Opferhilfegesetz basierendes Verfahren zwischen der Familie S. und dem Kanton Glarus. Die Eternit (Schweiz) AG hat davon Kenntnis. Gegenstand des Verfahrens sind Vorgänge in den Jahren 1972/73 im Werk Niederurnen. Die Eternit (Schweiz) AG ist seit 2005 Eigentümerin dieses Werks und daher von der Angelegenheit nicht betroffen.»
Martin Hablützel, der die Familie Schwarzmann als Opferanwalt vertritt, ist sehr zufrieden mit dem Entscheid der Glarner Regierung: «Das ist ein schöner Etappensieg, quasi die Frucht jahrelanger Arbeit.»
Im Jahr 2012 sind er und die Familie Schwarzmann beim Glarner Verwaltungsgericht noch abgeblitzt. Das Gericht ging damals davon aus, dass der Tod des Mannes weder vorhersehbar noch vermeidbar gewesen sei. Das Bundesgericht korrigierte jedoch vor einem Jahr dieses Asbesturteil der Glarner Justiz.
Für einmal haben wir Good News: Jemand kommt zu seinem Recht, jemand erhält Geld.
Das Bundesgericht befand, dass die Angehörigen des Verstorbenen entschädigt werden sollen, weil die Firma Eternit AG den Jugendlichen damals von gefährlichen Arbeiten hätte fernhalten müssen und weil die Voraussetzung der Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung erfüllt sei. Ein Anspruch auf Opferhilfe bestehe überdies unabhängig davon, ob ein Täter ermittelt wurde.
Für Professor Frédéric Krauskopf löst die Opferhilfezahlung des Kantons Glarus das juristische Hauptproblem der Asbest-Problematik indes nicht: «Rechtlich hat das Opferhilfegesetz keine grosse Wirkung», bemerkt der Experte für Privatrecht der Universität Bern, «diese Entschädigung hat aber sicherlich eine psychologische Signalwirkung für andere Asbestgeschädigte. Für einmal haben wir Good News: Jemand kommt zu seinem Recht, jemand erhält Geld.»
Entscheidend für die Asbest-Fälle seien viel mehr die Verjährungsfristen, welche zurzeit im Parlament diskutiert werden, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die bisherige Schweizer Verjährungsfrist von zehn Jahren gerügt hat.
Opfer-Anwalt will Eternit (Schweiz) AG belangen
Auch Opferanwalt Martin Hablützel ist überzeugt, dass die Geste der Opferhilfe des Kantons Glarus Signalwirkung habe: «Dieser Entscheid ist wegweisend für den Kanton Glarus, aber auch für alle anderen Kantone, in denen Menschen leben, welche von Asbest-Problemen betroffen sind. Es wird mit grosser Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass weitere Opferhilfestellen Zahlungen erbringen werden.»
Für Martin Hablützel ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen. Er will im Namen der Familie Schwarzmann in einem nächsten Schritt gegen die Eternit (Schweiz) AG vorgehen und versuchen, weitere Forderungen geltend zu machen.