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Schweizer Armee Zivildienst soll durch Gewissensprüfung unattraktiver werden

  • Zahlreiche wehrpflichtige Personen wählen statt des Militärdiensts den Zivildienst.
  • Um den Zivildienst unattraktiver zu machen, will der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz die Gewissensprüfung wieder einführen.
  • Dabei müssen Dienstpflichtige glaubhaft darlegen, dass der Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbar sei.

Der Zivildienst gerät politisch unter Druck: Im Parlament sind derzeit mehrere Vorstösse und Gesetzesrevisionen hängig, die den Zivildienst unattraktiver machen sollen. In die gleiche Richtung will der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz gehen – mit der Wiedereinführung einer Gewissensprüfung für den Zivildienst.

Schweizer Armee fehlen Soldaten

Der Zivildienst ist beliebt. Knapp 7000 wehrpflichtige Personen wählen jährlich diesen Weg. Zu viele, sagt Stefan Holenstein, Präsident des Verbandes Militärischer Gesellschaften Schweiz. «Das ist eine Brigade an Wehrleuten, die wir Jahr für Jahr verlieren.» Es sei klar, wenn sie mit zwei Mausklicks die Formulare ausfüllen könnten für den Wechsel in den Zivildienst, dann brauche das keine besonderen Vorbereitungen. «Sie können sich von heute auf morgen verabschieden.»

Das ist eine Brigade an Wehrleuten, die wir Jahr für Jahr verlieren.
Autor: Stefan Holenstein Präsident Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz

Prognosen des VBS zeigen: Bis im Jahr 2030 könnten der Schweizer Armee Soldaten fehlen, weil einerseits die Dienstpflicht von zwölf auf zehn Jahre verkürzt wurde und weil andererseits durch die demografische Entwicklung weniger wehrpflichtige Männer nachrücken.

Gehen der Armee die Leute aus?

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Betrachtet man die aktuellen Zahlen, hat die Armee heute kein Bestandsproblem, wie Inlandredaktor Tobias Gasser sagt. Sie sei gar ein bisschen zu gross.

Man orientiere sich an zwei Kennzahlen: Der Sollbestand ist die Zahl der militärischen Funktionen, die bei einer Gesamtmobilisierung besetzt werden müssen – sie beträgt 100'000 Posten, was erfüllt werde.

Der Effektivbestand betrage aktuell 147'000 Personen und damit 7000 mehr als eigentlich gesetzlich erlaubt. Gegen Ende Jahrzehnt werden zweimal zwei Jahrgänge entlassen, dann sinkt der Effektivbestand laut Gasser höchstwahrscheinlich auf unter 140'000 – was gesetzlich erlaubt und ursprünglich sogar gewünscht ist.

Ob ein Sinken unter diese 140'000 den Sollbestand, also die 100'000 Funktionen, gefährde, sei offen und nicht geklärt.

Die heutige faktische Wahlfreiheit zwischen Zivildienst und Militärdienst will der Verband Militärischer Gesellschaften Schweiz deshalb streichen – und die sogenannte Gewissensprüfung wieder einführen. Diese galt in der Schweiz bis 2009. Dienstpflichtige mussten glaubhaft darlegen, dass der Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbar sei.

Medizinische Ausmusterung als Umweg

Eine Wiedereinführung der Gewissensprüfung sei der falsche Weg, um mehr Menschen in den Militärdienst zu bringen, sagt derweil Luca Dahinden, Geschäftsführer des Zivildienstverbandes Civiva. Man könne das Rad nicht zurückdrehen. «Es würden nicht plötzlich weniger Menschen Zivildienst machen wollen.»

Die Gewissensprüfung: Aufwendig und teuer

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Bis 2009 gab es die Gewissensprüfung während etwas mehr als zehn Jahren. Dabei versuchte eine dreiköpfige Kommission im Auftrag des Staates, das Gewissen eines jungen Mannes zu durchleuchten, um festzustellen, ob wirklich ein Gewissenskonflikt in Bezug auf den Militärdienst vorlag.

Der Aufwand war gross und kostete mehrere Millionen Franken jährlich, wie Inlandredaktor Tobias Gasser berichtet. Zudem seien die meisten Gesuche bewilligt worden. Deswegen ersetzte man 2009 die Gewissensprüfung durch den sogenannten Tatbeweis, also die eineinhalbfache Dauer des Zivildiensts im Vergleich zum Militärdienst.

Damals wechselten jährlich zwischen 1000 und 2000 Personen in den Zivildienst – heute sind es gegen 7000. Wenn bürgerliche Politiker von der Wiedereinführung der Gewissensprüfung sprechen, dann möchten sie natürlich zurück zu diesen Zahlen, so Gasser weiter.

Doch jene, die einen Gewissenskonflikt haben, würden einerseits mehr Schikane auf sich nehmen müssen oder den Weg der medizinischen Ausmusterung nehmen. Dienstpflichtige Personen, die keinen Militärdienst leisten wollen, würden sich mit einer Gewissensprüfung also wieder vermehrt für untauglich erklären lassen, ist Dahinden überzeugt.

Heute Morgen, 28.5.2025, 6 Uhr ; 

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