Wegen des Krieges in der Ukraine gehen die Energiepreise durch die Decke. Viele Hausbesitzer und Firmen könnten bei der nächsten Heizöl-Abrechnung ihr blaues Wunder erleben. Erneuerbare Energien wie Photovoltaik oder Erdsonden bieten sich als Alternative an.
Was viele nicht wissen: Wer an einem See wohnt, hat im Prinzip eine riesige Heizung und Klimaanlage direkt vor der Haustür. Seethermie, also die Gewinnung von Energie aus Seewasser, hat grosses Potenzial. Eine Studie des Kantons Thurgau zeigte 2021 auf, dass durch die Nutzung von Seewärme rund 10 Prozent der Energie ersetzt werden könnten, die heute aus Erdgas oder Öl gewonnen wird.
In der ganzen Schweiz gibt es deshalb entsprechende Seethermie-Projekte, etwa am Wohlensee bei Bern, am Zürichsee, am Bodensee, am Zugersee oder am Genfersee. Das landesweit grösste Seethermie-Projekt entsteht aber derzeit am Vierwaldstättersee, welches 7000 Haushalte mit Wärme beliefern soll.
Biel will Hochschul-Campus mit Seeenergie versorgen
Der drohende Gas-Engpass gibt der Seethermie Rückenwind. Ein weiteres Grossprojekt entsteht in der Region Biel: 50 Millionen Franken kostet die Seethermieanlage am Bielersee. Damit sollen ab nächstem Herbst in Seenähe in Biel und Nidau rund 1000 Wohneinheiten beheizt und gekühlt werden.
Ein solches Projekt brauche einen langen Atem, sagt Martin Kamber, Geschäftsführer des Energieverbunds Bielersee. Die ersten Ideen kursierten bereits 2014, kurz darauf meldete die Berner Fachhochschule ihr Interesse an, um den neuen Campus in Seenähe mit erneuerbarer Energie zu heizen und im Sommer auch zu kühlen. Erst diese Doppelnutzung mache das Seethermieprojekt für den Energieverbund wirtschaftlich, so Kamber.
Aber wegen eines Enteignungsstreits mit einem Liegenschaftsbesitzer verzögerte sich der Baubeginn immer weiter. Schlimmstenfalls könnte sich der Baustart bis 2026 verzögern. Das sei zwar ärgerlich, aber man müsse damit leben, so Kamber. Seit letztem Sommer wird nun an der Infrastruktur gebaut, damit ab Herbst die ersten Häuser in Nidau und Biel mit Seewasser beheizt werden können.
Ernüchterung am Thunersee
Etwas anders sieht die Situation in Spiez am Thunersee aus. «Zu geringe Wärmedichte in Seenähe, deshalb nicht wirtschaftlich», lautete die ernüchternden Bilanz einer Machbarkeitsstudie. Es bräuchte mehr und grössere Abnehmer dieser Energie, damit ein Seethermieprojekt wirtschaftlich sinnvoll wäre.
Die zuständige Spiezer Gemeinderätin Marianne Hayoz Wagner will die Seethermie noch nicht abschreiben - gerade wegen der aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt. Seethermie bedeute auch weniger Abhängigkeit von ausländischen Energieträgern, so Wagner Hayoz. «Darum könnte lokale Wärme an Attraktivität gewinnen und bald konkurrenzfähiger auf dem Markt sein.»