Zum Inhalt springen

Schweizer EU-Politik Warum nun die Linke beim Rahmenabkommen bremst

Lange warb die Linke am lautesten für das Abkommen mit der EU. Nun wächst die Sorge um die flankierenden Massnahmen.

Nach dem Eklat mit Brüssel Ende vergangenen Jahres scheint Bewegung in die Verhandlungen und die festgefahrenen Positionen in Bundesbern zu kommen.

An der Delegiertenversammlung der BDP in Biel wurde BDP-Parteipräsident Martin Landolt in seiner Rede sehr deutlich zum Rahmenabkommen. «Wer keinen Rahmen hat, ist nicht im Bild», sagte Landolt. Der bilaterale Weg brauche jetzt einen «konzeptionellen Rahmen, ein strategisches Dach».

Die Schweiz entferne sich derzeit in grossen Schritten vom Königsweg – von den Bilateralen –, weil diese «fahrlässig, aber systematisch in Frage gestellt» würden, sagte Landolt in Anspielung auf die Ausschaffungs-, Masseneinwanderungs- und Selbstbestimmungsinitiativen – «und wie sie alle heissen».

Linke Angst vor dem EuGH

Ausgerechnet die Linken, die sich bis jetzt am konsequentesten für die Bilateralen und für ein Rahmenabkommen ausgesprochen haben, stehen neuerdings auf die Bremse. Die Gewerkschaften befürchten, dass mit einem neuen institutionellen Rahmen mit der EU die flankierenden Massnahmen unter die Räder kommen könnten.

Dies sei der Fall, wenn der Europäische Gerichtshof (EuGH) neu in Streitfällen mitentscheiden könne, sagt SGB-Chefökonom Daniel Lampart. Darum müsse der Bundesrat die Flankierenden im Abkommen explizit schützen – schwarz auf weiss. Sonst sei «die Gefahr gross, dass der EuGH einen Teil davon verbieten könnte», so Lampart.

Diese Ängste vor dem EuGH sind nicht ganz unbegründet. In einer Reihe von Urteilen gewichtete der Europäische Gerichtshof die Personenfreizügigkeit höher als die Arbeitnehmerrechte. So erklärte das Gericht in einem Fall, welcher das Grossherzogtum Luxemburg betraf, eine dreitägige Voranmeldepflicht für entsandte Arbeiter aus dem EU-Ausland für rechtswidrig. Die Schweiz kennt heute eine achttägige Voranmeldepflicht. Seit Jahren sind die EU und die Schweiz deswegen im Streit.

«Keine Garantie»

Der in Brüssel tätige Berner Anwalt Simon Hirsbrunner von der Kanzlei Steptoe & Johnson befürchtet, dass der Schutz der Flankierenden wie er heute gilt, künftig nicht mehr garantiert werden könne. «Man kann in diesem Marktzugangsabkommen Sicherungen einbauen, um klar zu stellen, dass die flankierenden Massnahmen nicht angetastet werden sollten. Aber es gibt keine absolute Garantie, dass diese dann nicht trotzdem überprüft und unter Umständen auch eingeschränkt werden», vom EuGH, analysiert Hirsbrunner.

Trotz dieser Unsicherheit ist der Europaspezialist der SP, Eric Nussbaumer, dezidiert für den raschen Abschluss eines Rahmen-Abkommens mit der EU. EU-Kommission und EU-Parlament seien heute viel arbeitnehmerfreundlicher als noch vor zehn Jahren, sagt der Baselbieter Nationalrat. Er sieht eine Entwicklung im Gange. «Diese sollte man aufnehmen und in der Würdigung eines Rahmenabkommens auch entsprechend bewerten.»

Die flankierenden Massnahmen werden beim Abschluss der Verhandlungen mit der EU eine Knacknuss sein. Ohne die ungeteilte Zustimmung der Linken wird es ein Rahmen-Abkommen im Parlament und beim Volk zusätzlich schwer haben. In dieser zentralen Frage sind auch die bürgerlichen Parteien FDP, SVP, CVP und BDP tief gespalten.

Meistgelesene Artikel