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Schweizer Kriegsmaterial Lieber spät als nie: Parlament bemüht sich um Waffen für Ukraine

Die einen möchten die Ukraine militärisch verstärken, die anderen die Schweizer Rüstungsindustrie retten: Eigentlich fände sich unter Schweizer Parlamentariern wohl eine Mehrheit für die Weitergabe von in der Schweiz produzierten Waffen an die Ukraine.

Länder wie Deutschland, Dänemark oder Spanien fühlten sich in den letzten Monaten vor den Kopf gestossen, dass sie der Ukraine keine Waffen aus Schweizer Produktion aushändigen dürfen. Der Bundesrat will keine Hand bieten – er verweist darauf, dass das Parlament seinen Spielraum erst vor rund zwei Jahren eingeschränkt hat.

Eben dieses Parlament könnte nun auf eigene Faust eine neue Gesetzesgrundlage schaffen. Einzig die SVP und die Grüne Partei wehren sich strikte gegen indirekte Waffenlieferungen in die Ukraine. Die meisten Politiker der anderen Parteien sind unter bestimmten Bedingungen für eine Weitergabe von Schweizer Waffen bereit. Allerdings war man sich bisher über diese Bedingungen uneinig. Mitte, SP und FDP übertrumpften sich gegenseitig mit Vorstössen, von denen die anderen nichts wissen wollten.

Einigung auf hohe Hürden

Langsam scheinen die Parteien aber gemeinsame Nenner zu erkennen: Heute präsentierte die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrates eine Art Verschmelzung der Vorstellungen von FDP und SP – zumindest in der Kommission unterstützt auch von Mitte und GLP.

Dieser neue Vorschlag würde mit sehr hohen Hürden erlauben, Schweizer Waffen weiterzugeben, eine scharfe Lösung, welcher auch grosse Teile der SP zustimmen könnten.

Damit Schweizer Waffen in Drittländer geliefert werden könnten, müsste der ursprüngliche Waffenverkauf bereits fünf Jahre her sein und das weitergebende Land müsste ähnliche Werte und Exportkontrollen haben wie die Schweiz. Zudem bräuchte es die Bestätigung der UNO-Generalversammlung, dass sich das Bestimmungsland gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff verteidigt. Und zuletzt müsste auch der Bundesrat noch für jede Lieferung grünes Licht geben.

Zu langsam, um eine Hilfe zu sein

Eine solche Regelung wäre ein gutes Verkaufsargument für die Schweizer Rüstungsindustrie: ein Schlupfloch, mit dem gekaufte Schweizer Waffen in Zukunft trotzdem weitergegeben werden könnten. Die Schweiz könnte zeigen, dass sie sich nicht komplett verweigert, im europäischen Verbund militärisch mitzumachen, wenn es denn gute Gründe dafür gibt. Und die hohen Auflagen liessen den Vorwurf kontern, dass die Schweiz ihre Neutralität aufgebe: Nur in absoluten Ausnahmefällen dürften Schweizer Waffen ins Ausland gelangen.

Gute Kompromisse brauchen Zeit – welche die Ukraine aber nicht hat. Bis sich das Schweizer Parlament auf einen Kompromiss einigt und das geänderte Gesetz in Kraft wäre, wird es mindestens 2024. Bis dann könnte der Ukraine-Krieg längst entschieden sein. Die Mühlen des Schweizer Parlaments mahlen vielleicht zu langsam, um der Ukraine wirklich helfen zu können.

André Ruch

Bundeshaus-Redaktor, SRF

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Reporter André Ruch arbeitet seit 2008 für verschiedene SRF-Sendungen. Etwa als Redaktor und Produzent bei der Gesundheitssendung «Puls», als Reporter bei «10vor10» und seit 2018 als Bundeshaus-Redaktor in Bern.

Tagesschau, 21.02.2023, 19:30 Uhr

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