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Schweizer Rüstungsindustrie Hat die Schweiz für Deutschland als Rüstungslieferant ausgedient?

In Europa tobt ein Krieg, der Westen liefert Waffen an die Ukraine – und bei der Deutschen Bundeswehr klafft ein grosses Loch in der Ausrüstung.

Die Zeichen verdichten sich, dass Deutschland dieses künftig nicht mit Schweizer Munition stopfen mag. Die Weigerung der Schweiz, Deutschland eine Weitergabe von Munition für den Gepard-Panzer an die Ukraine zu erlauben, hat die deutsche Politik alarmiert. Lenke die Schweiz nicht ein – so heisst es laut «Tagesanzeiger» jetzt aus deutschen Regierungskreisen – suche man alternative Lieferanten.

Exportstreit um 12'400 Schuss Munition

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Deutschland darf der Ukraine weiterhin kein Schweizer Kriegsmaterial liefern. Bundesrat Guy Parmelin hatte ein Schreiben der deutschen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im November abschliessend entsprechend beantwortet.

Dabei ging es um rund 12'400 Patronen 35mm-Munition schweizerischen Ursprungs für den Flugabwehrpanzer Gepard, welche Deutschland an die Ukraine weitergeben möchte. Die Frage rund um die Munitionslieferungen löste zuvor hierzulande eine Debatte um die Schweizer Neutralitätspolitik aus.

Aufgrund des neutralitätsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots kann die Schweiz einer Anfrage um Weitergabe von Kriegsmaterial mit Schweizer Ursprung an die Ukraine nicht zustimmen, solange diese in einen internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist.

Die Schweiz hatte zuvor Deutschland die Weitergabe von Gepard-Munition unter Berufung auf ihren Neutralitätsstatus verboten.

«Fatal für die Schweizer Rüstungsindustrie»

Sollte Deutschland tatsächlich in Zukunft auf Rüstungsdeals mit der Schweiz verzichten, «wäre das für die Schweizer Rüstungsindustrie fatal», sagt Ständerat Werner Salzmann (SVP). Deutschland ist mit Abstand grösster Abnehmer von Militärmaterial aus Schweizer Produktion.

«Aber ich denke, dass dies eine Drohung im Raum ist. Deutschland muss akzeptieren, dass wir ein Neutralitätsrecht haben», so Salzmann. Die allfällig betroffenen Schweizer Firmen wollen sich auf Anfrage von SRF nicht zum drohenden Exportstopp äussern.

Schweiz nicht mehr unter umsatzstärksten Waffenschmieden

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Die Welt rüstet weiter auf – das zeigt der neuste Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri. Die globalen Rüstungsverkäufe steigen das siebte Jahr in Folge – trotz Lieferkettenproblemen.

Unter den umsatzstärksten hundert Waffenschmieden figuriert mittlerweile keine einzige Schweizer Firma mehr: Die staatliche Ruag, die früher regelmässig auf der Sipri-Liste figurierte, verschwand daraus ebenso wie die Pilatus-Flugzeugwerke, die dort ohnehin bloss vereinzelt auftauchten.

«Die gesamten Rüstungsexporte machen lediglich 0.2 Prozent aller Exporte aus, die die Schweiz tätigt», sagt SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf. Das Preisschild könne sie nicht beziffern. Es sei aber generell keine Frage von Zahlen, sondern eine Frage des Grundsatzes. «Ein neutrales Land kann keine Waffen liefern in ein Konfliktland.»

Es wäre klüger, mehr in die zivile Produktion zu investieren.
Autor: Priska Seiler-Graf SP-Nationalrätin

Rüstungsexporte seien für ein neutrales Land stets ein Dilemma. «Es wäre darum klüger, wenn Rüstungskonzerne mehr in die zivile Produktion investieren. Denn Feintechnologie wird auch im zivilen Gebrauch stark nachgefragt», so Seiler-Graf.

Munitionsprobleme bei der Bundeswehr

Deutschland lenke damit wohl auch von eigenen Problemen ab, sagt Salzmann weiter. «Ihr Munitionsvorrat ist sehr klein und sie haben nicht genug moderne und gut ausgerüstete Waffen.» Auch SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf vermutet dies: «Die momentane gesetzliche Lage verbietet Waffenexporte in kriegsführende Länder – das wusste Deutschland, als sie das Geschäft mit der Schweiz abschloss».

Mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr

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In Deutschland tobt eine Debatte über die ungenügende Ausrüstung der Bundeswehr. Heute Montag berieten Vertreter mehrere Ministerien und der Industrie im Kanzleramt über Munitionsversorgung. Denn die Rüstungslieferungen an die Ukraine haben den seit Jahren beklagten Mangel an Munition in der Bundeswehr noch verschärft. Laut Bundeswehrverband fehlt Munition im Wert von 20 bis 30 Milliarden Euro.

Union und Grüne drängen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zu einer schnelleren Bestellung von Munition, um die Ukraine und die Bundeswehr zu versorgen.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums verwies darauf, dass man die Ausgaben für die Munitionsbestellung in den vergangenen Jahren bereits deutlich angehoben habe. 2015 hätten dafür 296 Millionen Euro zur Verfügung gestanden, 2018 mehr als 400 Millionen Euro und 2021 dann 700 Millionen Euro. Im Haushalt 2023 seien sogar Ausgaben von 1.125 Milliarden Euro nur für Munitionsbeschaffung vorgesehen.

Lina Seitzl, Abgeordnete der Regierungspartei SPD, weist diesen Vorwurf zurück: «Es ist offensichtlich, dass Deutschland einiges an Nachholbedarf hat betreffend Ausrüstung der Bundeswehr. Das wird in Deutschland aber sehr breit und transparent diskutiert. Insofern kann ich diesen Vorwurf aus deutscher Perspektive nicht bestätigen.»

Beziehung zur Schweiz nicht «dauerhaft belastet»

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Deutsche Abgeordnete besuchen heute im Rahmen eines interparlamentarischen Austauschs Bern, darunter Lina Seitzl (SPD). Die deutsche Politikerin sieht die Beziehungen nach dem Streit um die Munitionslieferungen nicht beschädigt. «Ich glaube nicht, dass dies die deutsch-schweizerischen Beziehungen dauerhaft belastet. Da gibt es andere Fragen, die gelöst werden müssen.» Sie bedauere zwar das Exportverbot. «Aber die Schweiz hat ihre innenpolitischen Gründe. Das müssen wir akzeptieren.»

Made in Germany statt made in Switzerland?

Dass Deutschland sich potenziell nach neuen Lieferpartner in Bezug auf Rüstungsgüter umsehen will, liess die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (deutsche FDP), aber bereits im November im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur durchsickern.

Olaf Scholz auf Gepard-Panzer
Legende: Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung wollen die Rüstungsproduktion kriegstauglich machen. Dabei soll verstärkt auf die einheimische Produktion gesetzt werden. Reuters / Axel Heimken

«Die Welt ist sicherheitspolitisch seit dem 24. Februar eine andere, und Deutschland muss umgehend bei der Bestellung von Munition die entsprechenden Lieferwege überprüfen, gegebenenfalls verändern oder anpassen», sagte Strack-Zimmermann. Und sie forderte: «Verlässlichkeit in dieser Situation ist unabdingbar.»

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vergangene Woche eine krisenfähigere Struktur der Rüstungsindustrie gefordert. Militärmaterial müsse dann zur Verfügung stehen, wenn man es brauche.

Die Bundeswehr beschafft nach Bedarf.
Autor: Sarah Ruschel Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums

Dies bestätigt auch Sarah Ruschel, Sprecherin des deutschen Verteidigungsministeriums: «Die Bundeswehr beschafft nach Bedarf. Entsprechende Endverbleibsregelungen spielen generell eine Rolle und werden auch zukünftig in der Beschaffung stärkere Berücksichtigung finden.»

Und das gleiche Verteidigungsministerium twitterte heute: «Die sicherheitspolitische Lage in Europa erfordert ein Umdenken.» Es veröffentlichte einen Vertragsabschluss für Selbstschutz für Luftfahrzeuge – «made in Germany».

SRF 4 News, 5.12.2022, 7:30 Uhr

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