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Schweizer Stromversorgung Bundesrat prüft Rettungsschirm für Strombranche

Seit Ende letzten Jahres verzeichnen die Energiemärkte hohe Preisausschläge. Mit dem Ukraine-Krieg haben diese noch zugenommen. Dadurch steigt auch der Liquiditätsbedarf der Stromunternehmen.

Um sicherzustellen, dass die Stromversorgung in der Schweiz auch bei einer weiteren Verschärfung der Situation gewährleistet bleibt, hat der Bundesrat beschlossen, einen Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen zu prüfen. Das hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Donnerstag vor den Medien gesagt.

Die Preisausschläge sind wegen des Krieges in der Ukraine so stark, wie wir sie historisch noch nie gesehen haben.
Autor: Simonetta Sommaruga Bundesrätin

Schweizer Stromunternehmen bräuchten mehr finanzielle Mittel, um die mit dem Handel verbundenen Sicherheitsleistungen zu decken, so die Begründung. Ein unkontrollierter Ausfall eines grösseren Anbieters könnte die Versorgungssicherheit der Schweiz gefährden und eine Kettenreaktion nach sich ziehen. Dies solle vermieden werden.

Unternehmen selbst sind gefordert

Für einen Rettungsschirm für systemkritische Stromunternehmen fehlt noch eine gesetzliche Grundlage. Die Arbeiten hierfür werde er vorantreiben, schreibt der Bundesrat. Gefordert seien aber in erster Linie die Unternehmen selbst: Die höhere Preisvolatilität bedürfe mehr Flexibilität und allenfalls Anpassungen am Geschäftsmodell.

Stromverbrauch ist im Jahr 2021 gestiegen

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In der Schweiz ist der Stromverbrauch 2021 um 4.3 Prozent gestiegen. Das entspricht dem Jahresverbrauch von knapp 480'000 Haushalten. Verbraucht wurden 58.1 Milliarden Kilowattstunden. Die einheimischen Kraftwerke produzierten 60,1 Milliarden Kilowattstunden (kWh) Strom.

Gemäss Bundesamt für Energie (BFE) lag der Landesverbrauch bei 62.5 Milliarden kWh. Die Differenz zum Jahresverbrauch kommt durch Übertragungs- und Verteilerverluste von 4.4 Milliarden kWh zustande.

Verantwortlich für den Anstieg waren unter anderem Corona-Nachholeffekte: So wuchs der Stromverbrauch verglichen mit dem zweiten Quartal 2020, als die Schweiz weitgehend im Lockdown war, um 9 Prozent. Auch in allen anderen Quartalen war der Verbrauch höher als im Vorjahr.

Unter anderem das Wirtschaftswachstum sowie die Bevölkerungszunahme steigerten den Stromverbrauch. Und schliesslich nahm auch die Zahl der Heizgradtage um 15.3 Prozent zu. Gegen 10 Prozent des Stromverbrauchs entfällt auf das Heizen.

Der Bund solle deshalb nur subsidiär zu den Unternehmen selbst und ihren Fremd- und Eigenkapitalgebern tätig werden. Um Fehlanreize zu vermeiden, sollen die Bedingungen, um von dem Rettungsschirm zu profitieren, zudem sehr streng sein. Unter anderem sind Transparenzvorschriften, eine marktgerechte Verzinsung, ein Verbot von Dividendenausschüttungen sowie Sicherheiten in Form von Verpfändung von Aktien vorgesehen, wie der Bundesrat weiter mitteilt.

Auch soll der Rettungsschirm nur temporär zur Verfügung stehen.

Der Bund wird als nächstes Gespräche mit den wichtigsten Stromanbietern führen. Ein entsprechendes Bundesgesetz müsste noch in der Sommersession beraten und dringlich in Kraft gesetzt werden.

Weitere Massnahmen geplant

Nachdem um den Jahreswechsel der Stromkonzern Alpiq in die Klemme geriet und sich einen Liquiditätspuffer verschaffen musste, habe eine Arbeitsgruppe die Grundlagen für den Rettungsschirm erarbeitet, berichtete Sommaruga. Abwarten wäre für den Bundesrat keine Option.

Der Bundesrat hat beschlossen, alles nötige vorzukehren, um diese Gefahr abzuwenden und um auch für den Worst Case vorbereitet zu sein.
Autor: Simonetta Sommaruga Bundesrätin

Weitere Massnahmen nach dem dringlichen Gesetz sind in Diskussion. Sommaruga nannte Transparenzvorgaben, um Liquiditätsengpässe zu verhindern. Geprüft würden zudem Eigenkapital- und Liquiditätsvorgaben für Stromversorger, so wie sie für Banken gälten.

Auch andere Länder, etwa Deutschland und Österreich, arbeiteten an solchen Massnahmen. «Die Situation ist ernst», sagte Sommaruga.

Das ist derzeit das Problem am Strommarkt

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Normalerweise sichern sich Händler zum Beispiel eine Stromlieferung in ein paar Monaten oder Jahren. Bezahlen müssen sie diese aber sofort und das kostet sehr viel Geld. Dieses besorgen sich die Handelsunternehmen am Kapitalmarkt, zum Beispiel bei Banken. Dafür wollen die Banken Sicherheiten. Das können Immobilien oder Aktien sein. In der Regel können die Konzerne das Geld wieder zurückzahlen, spätestens wenn sie den Strom verkaufen.

Wenn nun aber der Preis stark schwankt – und das ist das Problem momentan –, dann ist es nicht so sicher, dass der betreffende Konzern so viel Geld einnimmt für den Strom, wie er einst dafür bezahlt hat. Und deshalb steigt für die Banken das Risiko und sie verlangen höhere Sicherheiten. Und wenn nun die Preise hoch sind, sind automatisch diese Sicherheiten nochmals grösser und können Unternehmen so an den Rand des Leistbaren bringen.

Damit bleibt: Entweder kauft der Konzern keinen Strom und es gibt eine Versorgungslücke, oder er riskiert den Konkurs. Und wenn europaweit verschiedene Konzerne mit ähnlichen Problemen kämpfen, dann kann das eine Kettenreaktion auslösen. Diese will der Bund vermeiden.

SRF 4 News, 14.04.2022, 08:00 Uhr ; 

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