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Schweizer Verbindungen «Wir haben eine ganz andere Geschichte»

Österreichische Studentenverbindungen stehen wegen rechtsradikalen Tendenzen in der Kritik. Kanzler Sebastian Kurz fordert eine Auflösung der Burschenschaft Germania, die in einem Lied zum Mord an Juden aufgerufen hatte. Das wirft auch einen Schatten auf die Verbindungen in der Schweiz. Gibt es hierzulande auch radikale Studentenverbindungen? Fragen an den Historiker Roland Beck, der der Studentenverbindung Helvetia angehört.

SRF News: Woher kommt die deutsch-nationale Gesinnung bei den Studentenverbindungen?

Roland Beck: Meines Erachtens kommt das aus der Geschichte. In Deutschland und Österreich haben die Verbindungen einen anderen Ursprung als in der Schweiz. In der Schweiz sind sie aus dem Bundesstaat hervorgegangen und haben immer ein bürgerlich-freisinniges Gedankengut gepflegt.

Die Schweiz ist keine Nation, sondern eine Föderation mit verschiedenen Kulturen. Deshalb konnte bei uns ein solches Gedankengut nie Fuss fassen.

In Deutschland und Österreich war die Zeit des Kaiserreichs und des Nationalsozialismus prägend. Dort wurde ein Nationalismus gepflegt, der in der Schweiz in dieser Art nie denkbar wäre. Die Schweiz ist keine Nation, sondern eine Föderation mit verschiedenen Kulturen. Deshalb konnte bei uns ein solches Gedankengut nie Fuss fassen.

Die Riten der Studentenverbindungen sind in der Schweiz aber ähnlich wie in Deutschland.

Im 19. Jahrhundert waren es deutsche demokratische Studenten, die in die Schweiz kamen, weil sie in Deutschland oder Österreich verfolgt wurden. Sie brachten diese Sitten zu uns. Importiert wurden äusserliche Bräuche, nicht aber die Gesinnung.

Also gibt es in der Schweiz keine rechtsradikalen Studentenverbindungen?

Meinen Beobachtungen zufolge ist das nicht der Fall. Radikalismus, Rassismus und Nationalismus haben keine Zukunft. Sie wurden in den 30er-Jahren abgeblockt, als Einzelne solche Reden hielten, und sofort wieder vergessen. Unsere Willensnation würde in Frage gestellt, wenn wir uns gegen andere Volksgruppen äussern würden.

Es gibt unzählige Verbindungen in der Schweiz. Sind sie politisch alle rechtsbürgerlich-freisinnig oder ist das politische Spektrum breiter?

Ich würde das Spektrum sogar innerhalb der einzelnen Verbindungen breiter einschätzen. In meiner Verbindung, der Helvetia, gibt es beispielsweise auch Sozialdemokraten. Zumindest bei der Helvetia ist das Feld also ziemlich offen. Es gibt auch Verbindungen, die im katholisch-christlichen Gedankengut verankert sind, oder Verbindungen, die sich stärker an Wirtschaftsinteressen orientieren. Das Spektrum ist wirklich breit.

Gibt es linke Verbindungen?

Mir ist keine bekannt.

Worum geht es eigentlich bei den Studentenverbindungen?

Meiner Meinung nach sind sie ein Zusammenschluss von mehr oder weniger gleich gesinnten und interessierten jungen Studenten, die sich im Gespräch ergänzen. Später geht es selbstverständlich darum, den beruflichen Zusammenhalt zu pflegen. Insbesondere Juristen oder Ärzte haben dort gute Möglichkeiten für einen Erfahrungsaustausch mit älteren Semestern oder gestandenen Berufsleuten. Daran hat sich seit Jahrzehnten nichts geändert.

Schaden die Negativschlagzeilen der österreichischen Verbindungen denen in der Schweiz?

Ich glaube schon, dass das negative Auswirkungen hat. Der Bürger kann diese Unterschiede nicht genau sehen und urteilt aufgrund der Äusserlichkeiten. Es besteht eine gewisse Gefahr, dass die schweizerischen Verbindungen verdächtigt werden, solches Gedankengut zu pflegen. Ich kann Ihnen aber bestätigen, dass das nicht der Fall ist. Wir haben eine ganz andere Geschichte.

Das Gespräch führte Iwan Santoro.

Roland Beck

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Roland Beck ist Militärhistoriker und Mitglied der Studentenverbindung Helvetia. Er arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Berufsoffizier bei der Schweizer Armee.

Audio
«Das politische Spektrum der Studentenverbindungen ist breit»
aus HeuteMorgen vom 01.02.2018.
abspielen. Laufzeit 7 Minuten 44 Sekunden.

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