Sie kauern zu dritt im Unterholz, von unten ist das Rauschen der Autos und Töffs auf der Ofenpassstrasse zu hören. Nationalparkwächter Curdin Eichholzer ersetzt gerade mit seiner neuen Kollegin Claudia Gerber und seinem neuen Kollegen Fadri Schorta die Kamera einer Fotofalle.
Auf dem Handy schauen sie sich einige der Bilder an, die seit dem letzten Herbst eingefangen wurden: ein Hase oder ein Fuchs, der ein Halsband mit einem Sender trägt.
Claudia Gerber: «Es sind fast 1000 Bilder auf dieser Kamera. Diese werden aber nicht von uns ausgewertet, sondern im Nationalparkzentrum in Zernez, von Praktikanten oder direkt von den Forschenden. Wir haben kaum Zeit, uns all diese Fotos anzuschauen.»
Öffentliche Person
Tiere beobachten ist seit Anfang Juni Claudia Gerbers Berufsalltag. Dazu gehört aber auch die Rolle als Ansprechpartnerin der Bevölkerung, um für die Anliegen des Nationalparks zu sensibilisieren. Eine Nationalparkwächterin ist eine öffentliche Person.
Mit dem Namensschild kennen mich auch Leute, die mich nicht persönlich kennen. Aber daran gewöhnt man sich.
Sie ist an einem Namensschild erkennbar, angeschrieben auf Rätoromanisch als «guardiana»: «Das ist ein grosser Unterschied im Vergleich zu vorher. Nun kennen mich auch die Leute, die mich nicht persönlich kennen. Aber daran gewöhnt man sich.»
Arbeitssprache Rätoromanisch
Claudia Gerber spricht Rätoromanisch. Sie hat die Sprache der Einheimischen gelernt, seit sie vor zehn Jahren ins Unterengadin gezogen ist, um nach einem Studium als Umweltingenieurin eine Schreinerlehre zu machen.
Claudia Gerber hat auch die Bündner Jagdprüfung absolviert, an einem Steinadlerprojekt der Vogelwarte Sempach mitgearbeitet sowie mehrere Sommersaisons in der Chamanna Cluozza, der bewirteten Hütte mitten im Nationalpark, hinter sich.
Täglich draussen am Puls der Natur zu sein, ist für Claudia Gerber ein Traumjob. Dass sie all ihre Interessen und alles, was sie bisher gemacht habe, in einem Berufsalltag vereinen könne, gebe es wohl nur einmal in der Schweiz. Es sei ein grandioses Gefühl, morgens in die Kleidung der Nationalparkwächterin zu schlüpfen.
Keine Männerdomäne mehr
Seit 20 Jahren habe es immer wieder Bewerbungen von Frauen gegeben, die Nationalparkwächterin werden wollten, erklärt der Kommunikationsleiter des Nationalparks, Hans Lozza. Zuletzt sei bis zu ein Viertel der Bewerbungen von Frauen gekommen.
Ich will den Job nach bestem Wissen und Gewissen machen. Das hat nichts damit zu tun, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.
Claudia Gerber wurde aus 140 Bewerbungen ausgewählt. Sie selbst möchte darum aber kein Aufheben machen: «Es ist nun so, dass ich die erste Frau bin. Es hätte auch sonst jemand sein können. Jetzt will ich den Job nach bestem Wissen und Gewissen machen. Und das hat nichts damit zu tun, ob ich eine Frau oder ein Mann bin.»
Und mit einem breiten Lächeln fügt sie hinzu: «Die Zeit ist reif, das Team ist super. Es gibt nichts Schöneres, als so anzufangen.»