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Schwierige Personalsuche Fachkräftemangel zwingt Gemeinden zum Umdenken

Eine Finanzverwalterin oder einen Gemeindeschreiber zu finden, wird immer schwieriger. Gemeinden müssen neue Wege gehen.

Die Gemeinde Lenk im Berner Oberland suchte verzweifelt eine Finanzverwalterin oder einen Finanzverwalter. Nach einer Kündigung wurde die Stelle zwar ausgeschrieben, doch besetzt werden konnte sie nicht: «Der Arbeitsmarkt im Bereich Finanzverwalter ist sehr ausgetrocknet», heisst es in einer Mitteilung von Lenk. Unterdessen kümmert sich eine Treuhandfirma um die Finanzen der Gemeinde.

Der Arbeitsmarkt im Bereich Finanzverwalter ist sehr ausgetrocknet.
Autor: Gemeinde Lenk Hat die Suche aufgegeben

Noch weiter geht die Gemeinde Affoltern im Emmental und will die ganze Gemeindeverwaltung durch die grössere Nachbargemeinde Sumiswald tätigen lassen. So geht es vielen Gemeinden in der ganzen Schweiz und das Problem ist nicht neu. Seit Jahren herrscht ein Fachkräftemangel auf Gemeindeverwaltungen.

Die Berner Gemeine Aarwangen glaubt nun, die Lösung für sich gefunden zu haben. Aarwangen krempelt die Organisation der Verwaltung um, ihre Struktur soll mehr einem Unternehmen, als einer Gemeindeverwaltung gleichen.

Innert Kürze ganzes Kader weg

Ausschlaggebend war die prekäre personelle Situation: Auf die Pensionierung von zwei langjährigen Kaderangestellten folgten weitere Kündigungen bei den Führungskräften. «Innerhalb von zwei Jahren wurde praktisch die ganze Führungscrew der Gemeinde pensioniert oder hat gekündigt», sagt Gemeindepräsident Kurt Bläuenstein (FDP).

Gemeinde Aarwangen

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Gemeindeverwaltung in Aarwangen
Legende: Gemeindeverwaltung in Aarwangen Christian Liechti/SRF

Die Gemeinde hat 4800 Einwohnerinnen und Einwohner und beschäftigt rund 100 Personen – insgesamt sind es 53 Vollzeitstellen. Das sind vergleichsweise viel. Denn in Aarwangen ist der Sozialdienst von insgesamt fünf Gemeinden zusammengeschlossen.

Es gab aber schon vorher Überlegungen, die Organisation anzupassen. Im klassischen Gemeindeverwaltungsmodell muss jede Entscheidung über den Tisch der Gemeindeverwalterin. «Mit dem Wachstum der Gemeinde entwickelte sich dieses System immer mehr zum Flaschenhals», so Bläuenstein. Denn: Neben allen Gemeinderatsgeschäften kümmerte sich die Gemeindeverwalterin auch um das ganze Personalwesen und um alle rechtlichen Angelegenheiten auf der Gemeindeschreiberei. «Das war vom Pensum her für eine Person gar nicht mehr möglich.» Und so wurde die Struktur grundlegend überdacht.

Eine Gemeinde wie ein KMU führen

Die Idee in Aarwangen: vom Gemeindeverwaltungs- zum Geschäftsleitungsmodell. Neu sollen fünf Geschäftsleiter oder Geschäftsleiterinnen die Geschicke der Verwaltung führen. Diese haben im Vergleich zum vorherigen Modell mehr Kompetenzen, so sollen die Stellen attraktiver werden.

Der grundlegende Unterschied zum früheren Modell ist, dass die jeweiligen Kommissionen bei den alltäglichen Geschäften nicht mehr mitreden. Bisher haben sie alle Geschäfte, die von der Verwaltung ausgearbeitet wurden, abgesegnet. Was aufwendig ist: «Momentan braucht jede Kommission ein Sekretariat, welches die Geschäfte für die Kommission vorbereitet. Dann kommt das Geschäft in eine andere Kommission, das gleiche nochmal in die Finanzkommission und später nochmal in den Gemeinderat», sagt Gemeindepräsident Bläuenstein.

Günstiger und effizienter

Neu sollen die operativen Geschäfte vom Geschäftsleitungsteam bearbeitet werden und danach direkt in den Gemeinderat kommen. Die Kommissionen sollen sich stattdessen mehr mit strategischen Fragen der Gemeinde beschäftigen, in welche Richtung sich Aarwangen entwickeln soll. So sei die Verwaltung viel agiler und spare Ressourcen, so Bläuenstein.

Das alles soll helfen, die Kaderstellen auf der Verwaltung attraktiver zu machen. Obwohl die neuen Strukturen in Aarwangen erst am Entstehen sind, hat der Wechsel schon Wirkung gezeigt. Zwei Kaderpositionen konnte mit Personal aus der Privatwirtschaft besetztet werden.

Welche ist die richtige Lösung?

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Viele Gemeinden haben in den letzten Jahren immer wieder neue Formen ausprobiert, da haben sie auch einen gewissen Spielraum. So wurden Dienste ausgelagert: Im Kanton Obwalden beispielsweise wurden alle kommunalen Steuerämter aufgelöst und die Arbeiten dem Kanton übertragen. Andere Gemeinden haben Teile des Bauamtes an ein privates Ingenieurbüro abgegeben.

«Es gibt nicht DIE Gemeinde und so gibt es nicht DAS richtige Modell», sagt Monika Gerber, Geschäftsführerin des bernischen Gemeindekader-Verbands. Jede Gemeinde müsse ihren eigenen Weg finden. «Für uns ist wichtig, dass sie die Zuständigkeiten zuteilen.»
Wenn Arbeiten an die Privatwirtschaft ausgelagert werden, könne jedoch die Bürgernähe darunter leiden, meint Gerber.

Ein Problem der Rekrutierung sieht Gerber in den Gemeinden selbst: «Ihnen fehlt oft der Verkäufer. Andere Branchen haben einen Spezialisten im Verkauf oder Marketing.» Die Gemeinden aber seien sich nicht gewohnt, sich selbst zu positionieren und zu verkaufen.

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 04.11.2021, 06:31 Uhr ; 

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