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Schwierige Zusammenarbeit Zersplittert und schwunglos – Klimabewegung tut sich schwer

Es ist still geworden um die Klimabewegung in der Schweiz. Es scheint, dass sie nach dem Nein zum CO2-Gesetz weniger präsent ist, weniger mobilisiert und weniger wahrgenommen wird. Wie geht es den Klimaaktivistinnen und -aktivisten?

Wer der Klimabewegung den Puls fühlen will, braucht mehrere Anläufe. Denn die Bewegung ist heterogen, um nicht zu sagen: zersplittert.

Anna Lindermeier hat lockige dunkle Haare. Sie schaut mit ernster Miene in die Kamera.
Legende: Anna Lindermeier vom «Klimastreik» Die 19-Jährige macht sich Gedanken über die Zukunft der Bewegung. SRF/Curdin Vincenz

Findungsphase statt Massenmobilisierung

Da ist einmal der «Klimastreik», die Jugendbewegung inspiriert von Greta Thunberg. Im September 2019 brachten die – hauptsächlich – Gymnasiastinnen und Studenten Zehntausende auf die Strasse. Einen Monat später schwappte bei den Wahlen die grüne Welle ins Bundeshaus.

Heute sitzt Anna Lindermeier vom «Klimastreik» in Zürich im «Klimaraum». Das ist ein grosses Büro in einem mehrstöckigen Gebäude, das der «Klimastreik» zusammen mit anderen Umweltorganisationen gemietet hat. Durch die Fenster hört man den Strassenlärm der vielbefahrenen Hardbrücke.

Wir sind in einer Strategiefindungsphase.
Autor: Anna Lindermeier «Klimastreik Schweiz»

Die 19-jährige Lindermeier sagt: «Wir sind in einer Strategiefindungsphase. Unsere bisherigen Instrumente funktionieren nicht mehr so gut, die Frage ist, was wir stattdessen machen?» Fest steht für Biologie-Studentin nach zwei Jahren Klima-Streik: Es reicht nicht, wenn Studentinnen oder Mittelschüler den Unterricht schwänzen und auf die Strasse gehen, um vor dem Klimawandel zu warnen.

Greta Thunberg steht mit gelber Regenjacke vor einem grünen Schild.
Legende: Klimaaktivistin Greta Thunberg Sie ist die Initiantin der Bewegung «Klimastreik», die weltweit Demonstrationen organisiert. Keystone

Ziel: Breite Streikbewegung

Sie ist auch nicht sicher, ob sie dem CO2-Gesetz nachtrauern soll. Das «Nein» habe sie zwar überrascht, aber auch ein «Ja» hätte der Klimabewegung Wind aus den Segeln nehmen können, so Lindermeier vom «Klimastreik» in Zürich. «Das Ziel muss sein, dass unsere Streik-Bewegung breiter wird. Jugendliche haben ja weniger Möglichkeiten, ökonomischen Druck auszuüben.»

Eine breite, soziale Streik-Bewegung, das stellt sich die 19-Jährige vor. «Unser jetziges Wirtschafts- und Gesellschaftssystem hat nicht nur die Klimakrise hervorgebracht, sondern auch soziale Krisen.» Darum brauche es den «system change» gegen den «climate change».

Chronologie der Klimabewegung

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  • 2018: Sommer mit grosser Hitze und Trockenheit
  • 20. August 2018: Die Schülerin Greta Thunberg platziert sich mit einem Schild mit der Aufschrift «Schulstreik für das Klima» vor dem schwedischen Parlament.
  • Oktober 2018: Der IPCC-Sonderbericht wird publiziert. Darin steht, dass das 1,5-Grad-Ziel sowohl erreichbar als auch leistbar sei, aber nur wenn die Treibhausgas-Emissionen sehr schnell gesenkt und CO2 in grossem Umfang aus der Erdatmosphäre entfernt würden.
  • September 2019: Die Klimaallianz organisiert schweizweit grosse Demonstrationen.
  • Oktober 2019: Die Gruppierung «Extinction Rebellion» blockiert Strassen in London.
  • Oktober 2019: Bei den Eidgenössischen Wahlen in der Schweiz gibt es einen Erdrutschsieg der Grünen und der GLP.
  • Ab Februar 2020: Wegen der Corona-Pandemie gibt es Einschränkungen bei Versammlungen und Demo-Verbot.
  • September 2020: Klimaaktivistinnen und -aktivisten besetzen den Bundesplatz. Das Parlament diskutiert über das CO2-Gesetz.
  • 13. Juni 2021: Das Stimmvolk lehnt das CO2-Gesetz ab.
  • August 2021: Die Jungen Grünen lancieren die «Umweltverantwortungs-Initiative.
  • 24. September 2021: Es gibt wieder Demonstrationen des Klimastreiks. In Zürich nehmen rund 4000 Personen daran teil.
  • Oktober 2021: «Extinction Rebellion» ruft zur Aktionswoche mit Blockaden und zivilem Ungehorsam auf. Die Beteiligung und Dauer ist kleiner als erhofft.

Mit zivilem Ungehorsam das Klima retten

Ebenfalls in Zürich, etwas weiter stadteinwärts in der Nähe der Langstrasse, wohnt Reto Wigger in einer grossen WG in den oberen Stockwerken eines älteren Mehrfamilienhauses. Auch Wigger ist ein Teil der Klimabewegung – spätestens seit 2018, als der Weltklimarat (IPCC) jenen Bericht veröffentlichte, dessen Botschaft war: Die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist möglich, aber nur mit schnellen, drastischen Schritten.

Reto Wigger trägt einen grauen Pullover und eine schwarze Mütze. Mit seinen blauen Augen schaut er direkt in die Kamera.
Legende: Reto Wigger ist Teil von «Extinction Rebellion» Er wünscht sich eine Erweiterung des demokratischen Systems in der Schweiz. SRF/Curdin Vincenz

«Der IPCC-Bericht machte mir noch einmal ganz deutlich, wie dringlich die Klimakrise ist.» Er schloss sich der zuvor in London gegründeten Bewegung «Extinction Rebellion» an, zu Deutsch etwa «Rebellion gegen das Aussterben». Die Bewegung ist bekannt für ihre öffentlichkeitswirksamen Aktionen: «Extinction Rebellion»-Aktivisten färbten in Zürich die Limmat grün, in Berlin ketteten sie sich mit Fahrradschlössern um den Hals an den Zaun des Amtssitzes der Bundeskanzlerin, sie blockierten in Paris ein Einkaufszentrum und auf dem Flughafen Genf das Privatjet-Terminal.

Bürgerversammlung für den Klimaschutz

Für Reto Wigger geht es bei diesen Aktionen um Aufmerksamkeit für das drängende Klimaproblem. Er räumt aber ein, dass diese Aktionen des zivilen Ungehorsams gerade in der Schweiz viel grösser sein sollten. «Es müssten Tausende, Zehntausende zu zivilem Ungehorsam bereit sein und auch die Konsequenzen tragen, damit den Menschen die Dringlichkeit bewusst wird.» Das Volk sei immer noch zu wenig informiert, ist Wigger überzeugt. Das habe auch das für ihn enttäuschende «Nein» zum Co2-Gesetz gezeigt.

Mehrere Menschen liegen nebeneinander auf der Strasse. Sie werden von Schaulustigen und Polizisten umringt.
Legende: Ziviler Ungehorsam von «Extinction Rebellion» Die Bewegung ist bekannt für ihre öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Dazu gehören zum Beispiel Strassenblockaden so wie hier in Brüssel. Keystone

Neben schonungsloser Information durch die Behörden fordert «Extinction Rebellion» ein neues politisches Instrument, um die Klimakrise anzugehen: Eine Bürgerversammlung. «Sie wäre repräsentativ zusammengesetzt aus allen Bevölkerungsschichten und die Mitglieder dieser Bürgerversammlung würden von Experten über das Klimaproblem umfassend informiert.» Innerhalb eines Jahres, so die Vorstellung, würde diese Bürgerversammlung in intensiven Verhandlungen wirksame, aber auch mehrheitsfähige Vorschläge zum Klimaschutz ausarbeiten.

Mangel an Zusammenarbeit

«Extinction Rebellion» und der «Klimastreik» arbeiten höchstens partiell zusammen. Anna Lindermeier vom «Klimastreik» überzeugen die Aktionen des zivilen Ungehorsams nicht wirklich. «Sie sind vor allem symbolisch», findet sie. Reto Wigger seinerseits sagt dagegen über den «Klimastreik»: «Sie konnten zwar viele Leute auf die Strasse bringen, aber offensichtlich hat das die Politik zu wenig unter Druck gesetzt.» Einig sind sich beide, Wigger und Lindermeier, dass unser Politsystem in der heutigen Form für die Lösung des Klimaproblems zu langsam arbeitet.

Unterschriftenbögen der Volksinitiative der Jungen Grünen liegen auf einem Holztisch.
Legende: Die Jungen Grünen lancieren eine Initiative Die Jungen Grünen wollen sich mit der Umweltverantwortungs-Initiative für den Klimaschutz einsetzen. SRF

Radikaler Wandel via Volksinitiative

Dem würde Julia Küng so nicht zustimmen. Die Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz, 20-jährig ist sie, ist nämlich mit ihrer Partei mitten in einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative. Lanciert hat die grüne Jungpartei das Begehren als Reaktion auf das «Nein» zum Co2-Gesetz. «Umweltverantwortungs-Initiative» heisst die Initiative und ihr Ziel ist es, Wirtschaft und Gesellschaft so umzubauen, dass die Schweiz von der Umweltbelastung her nicht mehr über ihren Verhältnissen lebt.

Julia Küng steht vor einer Backstein-Fassade. Sie trägt eine Brille und hat dunkle Haare.
Legende: Julia Küng, die Co-Präsidentin der Jungen Grünen Schweiz Ihre Partei sammelt derzeit Unterschriften für eine Volksinitiative. SRF/Curdin Vincenz

Hinter der Idee steht das Konzept der «planetaren Grenzen». Das Überschreiten dieser wissenschaftlich berechneten Grenzen, so die Theorie, gefährdet die Stabilität des Ökosystems und die Lebensgrundlagen der Menschheit. Somit greifen die Jungen Grünen zwar zu einem herkömmlichen Mittel der direkten Demokratie. Ihr Ziel aber, die Schweiz innert zehn Jahren unter diese planetaren Grenzen zu bringen, ist äussert ambitioniert. Julia Küng sagt: «Falls die Initiative angenommen wird, stehen radikale Veränderungen an.»

Langwieriger politischer Prozess

Bis die Initiative zur Abstimmung kommt, wird es allerdings noch mehrere Jahre dauern – Zeit, die man in den Augen der Klimabewegung eigentlich nicht hat. «Eine Volksinitiative zu lancieren ist immer noch einer der effektivsten Wege, um ein Anliegen in die Politik einzubringen», ist Julia Küng überzeugt. Zwar gehörte sie in ihrer Heimat Zug zu den Mitbegründerinnen des Klimastreiks und sieht sich noch immer als Teil der Klimabewegung. Aber sie sagt: «Auf unserem Weg kommen wir schneller zum Ziel, als wenn wir es ausserhalb der Institutionen versuchen.» Das glaube sie zumindest, schiebt sie noch nach und ergänzt: «Wir müssen ohnehin mehrgleisig fahren.» Es braucht die ganze Breite der Klimabewegung, ist Küng überzeugt – von der grossen Demo, über die spektakuläre Aktion bis zum mühsamen Sammeln von Unterschriften.

Einfach Politik, 26.11.2021

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