Es ist einfach immer wieder ein eindrückliches Ereignis, wenn ein Haus als Ganzes verschoben wird. So geschehen am Donnerstagabend im luzernischen Horw, wo ein 30 Tonnen schwerer Holzspycher auf einen Lastwagen verladen und durch Horw gezogen wurde.
Der Spycher ist rund acht Meter hoch und stammt aus dem 18. Jahrhundert. Dennoch steht er nicht unter Denkmalschutz. Dies wohl, weil er nicht ursprünglich aus Horw stammt, sondern vor 43 Jahren schon einmal gezügelt wurde. In Horw dient der zweistöckige Spycher als Zunftlokal der Egli-Zunft. Sie veranstaltet dort ihre Sitzungen, Veranstaltungen und Vereinsaktivitäten.
Mitten im Horwer Dorfzentrum muss der Spycher nun einem Neubau weichen. Auf der Parzelle wird ein Mehrfamilienhaus realisiert. Der Umzug sei sehr emotional, erklärt Ernst Alder. Der Zünftler ist seit 20 Jahren der Hauswart im Spycher: «Es haben Leute geweint beim letzten Fest im Spycher. Sie haben so viele schöne Erinnerungen an diesen Ort!»
Im Schritttempo nah an Häusern vorbei
Bald stellte sich heraus, dass ein Umzug als Ganzes einfacher ist als das Zerlegen in Einzelteile. Und so hält für die über zwei Kilometer lange Reise durchs Dorf ein Spannset den Spycher zusammen.
Wir mussten im Vorfeld die Route genau berechnen und messen, ob der Spycher genügend Platz hat.
Diese Reise ist für alle Beteiligten etwas Spezielles. Die Vorbereitungen laufen seit Monaten. Für den Transport werden Verkehrssignale entfernt und Strassen gesperrt. Auch deshalb erfolgt der Transport in der Nacht und ist für die Transportfirma eine Herausforderung. Projektleiter der Firma Fanger Kran AG ist Marco Betschart: «Es ist schon ein spezieller Auftrag, den ich so noch nie organisiert habe. Wir mussten im Vorfeld die Route genau berechnen und messen, ob der Spycher genügend Platz hat.»
Nächtlicher Transport mit Publikum
Fast 200'000 Franken investiert die Zunft in den Umzug und hat dafür ein Crowdfunding lanciert. Und tatsächlich ist der Transport in der Nacht kurz nach ein Uhr ein Spektakel. Hunderte Schaulustige stehen am Wegrand, beobachten und filmen das Ereignis. Der Umzug ist im Schritttempo unterwegs.
Zweimal sei es richtig knapp geworden, so der Projektleiter: «Die erste Kurve war sehr eng und im Dorfzentrum wurde es einmal kritisch zwischen zwei Häusern.» Hier sei es um wenige Zentimeter gegangen. Schliesslich geht aber alles gut und der Spycher erreicht seinen neuen Standort etwas ausserhalb des Zentrums unbeschadet.
Grosse Erleichterung bei allen Beteiligten
Eine Veränderung, die auch im Horwer Ortsbild spürbar sei, wie Gemeindepräsident Ruedi Burkard gegenüber SRF erklärt. Tragisch sei das nicht: «Im Laufe der Zeit gibt es Veränderungen in einem Dorf. Der Spycher war jetzt 43 Jahre da. Nun geht er an einen Ort, wo er ebenfalls gut hinpasst. Aus dem Ortszentrum heraus in etwas ländlicheres Gebiet.»
Nach einer fast zweistündigen Fahrt war es am Freitag kurz nach drei Uhr am Morgen so weit und das Ziel – eine Wiese im Gebiet Felmis, etwas oberhalb des Zentrums – erreicht.
Die Erleichterung über den geglückten Transport ist bei allen Beteiligten gross, stellvertretend strahlt Cornel Buholzer, Zunftmeister der Egli-Zunft: «Ich bin begeistert, dass es geklappt hat und dass wir so ein Projekt zusammen mit der Gemeinde umsetzen konnten.» Jetzt sei der Spycher bereit für weitere 200 Jahre. Bezugsbereit wird er im Frühling 2024 sein.