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«Sesselkleber» verhindern Braucht es Amtszeitbeschränkungen bei Parteien wirklich?

Die SP Aargau hebt für Nationalrat Cédric Wermuth die Amtszeitbeschränkung auf. Ob es sie noch braucht, ist unklar.

Am Mittwochabend hat die SP Aargau die in den Statuten festgelegte Ausnahme angewendet. Der ausserordentliche Parteitag in Lenzburg hat entschieden, dass der langjährige Nationalrat Cédric Wermuth auch nach 12 Jahren im Amt nochmals für das nationale Parlament kandidieren darf. Dafür ist eine Zweidrittelsmehrheit des Parteitags nötig – der Entscheid fiel einstimmig.

Junge Politikerinnen und Politiker
Legende: Nationalrat Cédric Wermuth ist zwar mit 36 Jahren noch jung – was aber ist in vier Jahren? Folgen noch Jüngere? Die Juso möchte bis 2027 eine neue Kandidatin finden, die den Aargau in Bern vertreten soll. Keystone/Peter Schneider

Die Idee der Amtszeitbeschränkung: «Sesselkleber», Politikerinnen und Politiker, die ihren Platz nach langer Zeit nicht freigeben wollen, sollen aus dem Amt entlassen werden können, damit junge Polittalente nachrücken können. Das Dilemma der Aargauer SP: Cédric Wermuth ist mit 36 Jahren vergleichsweise noch jung. Er wurde mit 25 Jahren in den Nationalrat gewählt.

Kritische Stimmen in der Waadt

Stellt sich die Frage, ob solche Amtszeitbeschränkungen Sinn machen? Nicht nur im Aargau, auch im Kanton Waadt wurde die parteiinterne Amtszeitbeschränkung kürzlich aufgeweicht. SP-Nationalrat Roger Nordmann (seit 2004 im Amt, 49 Jahre alt) wollte trotz Amtszeitbeschränkung erneut für den Nationalrat kandidieren. Die Partei entschied im Juni, dass er das gemäss Ausnahmeregelung darf. Dafür muss er auf eine Kandidatur als Ständerat verzichten, zugunsten seines Kollegen Pierre-Yves Maillard. Die jungen Delegierten kritisierten diesen Deal.

So wirkt sich die Amtszeitbeschränkungen aus

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Mitglieder von Schweizer Parlamenten mit Amtszeitbeschränkung folgen gegen Ende weniger der Parteilinie und lassen in ihren Aktivitäten erst noch nach. Dies trifft vor allem auf das Bundesparlament zu, wie eine Studie mit Beteiligung der Universität Basel ergab.

Eine Forschungsgruppe hat nun das Verhalten von Abgeordneten im National- und Ständerat gemessen – mit und ohne Amtszeitbeschränkung. Gesammelt wurden neu zusammengetragene Daten in Form von Reden, Vorstössen und Abstimmungen über insgesamt 16 Jahre.

Frischer Wind nötig

«Rotationen sind nötig, damit neue, unverbrauchte Personen frischen Wind in die Parlamente bringen können», bilanziert die Studie.

Kantonale Parlamentarier würden eher der Parteilinie folgen, weil sie noch ins nationale Parlament gewählt werden könnten. Nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier würden oft nach Ende der Amtszeit ihre politische Karriere beenden, deshalb sei das Verhalten anders, kommt die Studie zum Schluss.

Braucht es die Amtszeitbeschränkung noch? SP-Nationalarat Cédric Wermuth findet ja: «Die Amtszeitbeschränkung bringt schon etwas. Sie verpflichtet gewählte Nationalrätinnen und Nationalräte dazu, nahe bei der Basis zu sein und auch zu spüren, ob die Zeit vorbei ist.»

Die Amtszeitbeschränkung bringt schon etwas.
Autor: Cédric Wermuth Nationalrat SP Aargau

Was passiert, wenn 2027 die nächste Amstzeit abläuft? Cédric Wermuth lässt es offen. «Meine politische Welt geht bis zu den Wahlen 2023, alles andere schauen wir danach.»

Für David Sommer, Co-Präsident der Aargauer Juso ist klar: «Eine zweite Amtszeitverlängerung wird nicht akzeptabel sein. Wir müssen bis dann eine gute Kandidatin finden, die die jungen Menschen im Aargau vertreten kann», sagte er gegenüber SRF.

Überprüfung statt Beschränkung?

Stefan Dietrich, Co-Präsident der SP Aargau, hält hingegen an der Regelung fest: «Gemäss unserer Statuten ist es möglich, die Beschränkung aufzuheben. Die Zustimmung am Parteitag war einstimmig, das Resultat war klar.» Die Amtszeitbeschränkung sei trotzdem sinnvoll: «Sie ist eine Überprüfung, wie gut der Kandidat oder die Kandidatin mit der Basis noch zusammenarbeitet. Die nötige Zweidrittelsmehrheit ist eine grosse Hürde.»

Andere Beschränkungen

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  • Amtszeitbeschränkungen kennt nicht nur die SP Aargau. Im Baselbiet gibt es solche Beschränkungen auch für das Parlament, den Landrat. Maximal vier Amtszeiten oder maximal 16 Jahre darf man Landrat bleiben. Im Mai 2017 bestätigte das Stimmvolk diese Regelung mit 70 Prozent Ja-Stimmen. Fast niemand kandidierte nach vier Jahren Zwangspause erneut.
  • Auch der Kanton Obwalden kennt die 16-Jahre-Beschränkung für den Kantonsrat. Der damalige Mitbegründer dieser Regelung, SVP-Kantonsrat Albert Sigrist, musste dann kürzlich nach 16 Jahren aufhören.
  • Im Kanton Bern gibt es auch bei kommunalen Parlamenten Amtszeitbeschränkungen, wie zum Beispiel in der Gemeinde Wohlen.
  • Der Kanton Glarus hat eine Altersbegrenzung für Ständeräte, nämlich bei 65 Jahren.

Nicht alle Delegierten des ausserordentlichen Parteitags waren begeistert, dass die Partei die Amtszeitbeschränkung weiterhin anwenden will. Politikerinnen und Politiker, die nicht zitiert werden möchten, sagten gegenüber SRF, dass es auch ohne Beschränkung möglich sei, eine Nationalrätin oder einen Nationalrat «loszuwerden». Sie oder er werde in diesem Fall ganz einfach nicht mehr nominiert.

Regionaljournal Aargau Solothurn, 17.08.2022, 12.03 Uhr ; 

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