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Osterhase auf Nationalratspult
Legende: Noch lacht er: Wenn die Räte im Mai zur Sondersession zusammenkommen, dürfte er verschwunden sein. Keystone

Session Das bleibt von der Frühlingssession

Bürgerliche Fröntchen, bundesrätliche Stahlbäder und ein trauriger Schwan. Die Frühlingssession schrieb viele Geschichten. Drei Wochen Bundesbern im Rückblick.

  • Premieren und Grossbaustellen beim Bundesrat

Der neue Finanzminister, SVP-Bundesrat Ueli Maurer, durfte sich gleich in eines der komplexesten Dossiers der jüngeren Geschichte einarbeiten: Die Unternehmenssteuerreform III. Der «doppelte Maurer» – er hütet die Bundeskasse und pflegt bürgerliche Wirtschaftsnähe – rief die Nationalräte auf, von «Gejagten zu Jägern» zu werden: «Wir müssen gute Rahmenbedingungen für Firmen schaffen.» Die bürgerliche Ratsmehrheit will den Standort Schweiz mit tiefen Steuersätzen für Firmen attraktiv halten; die SP kritisiert das «Steuerabzugsfestival» scharf.

Derweil ging Guy Parmelin in seinen ersten Nahkampf mit dem Parlament. Der neue VBS-Chef durfte im Ständerat die Armeereform auf die Zielgerade geleiten. Für seine Verjüngungskur für die Duro-Lastwagen musste er sich lautstarke Kritik anhören. SVP, FDP und CVP stärkten ihm aber den Rücken. «Eine Frage des Vertrauens» , befand ein zufriedener Verteidigungsminister.

Kaum hatte Verkehrsministerin Doris Leuthard die zweite Gotthard-Röhre durchgebracht, kämpfte sie vor den Räten die nächste grosse Schlacht: Im Schatten der Milchkuh-Initiative handelten die Ständerate den Preis für die Autofahrer beim Milliardenprojekt Strassenfonds runter. Das taktische Einlenken gegenüber der Autolobby nahm die CVP-Bundesrätin gefasst auf. Die Energiestrategie 2050 droht indes zur «Energiestrategie Light» zu werden. Und auch hier wird vor der Bundesrätin die Drohkulisse eines Volksbegehrens aufgebaut: Die Stromeffizienz-Initiative.

  • Das bürgerliche «Fröntchen»

Ein Muster ihrer neu gewonnenen Schlagkraft in der grossen Kammer gab die bürgerliche Ratsmehrheit auch bei den Ladenöffnungszeiten : Landesweit soll Einkaufen künftig wochentags von 6 bis 20 Uhr möglich sein. Das Dossier geht nun zurück an den Ständerat, wo Gegner aus dem Mitte-links-Lager stärker vertreten sind.

Bei allem Miteinander: Es gibt auch Disharmonie im bürgerlichen Lager. Digitec-Gründer und FDP-Nationalrat Marcel Dobler thematisierte im Gespräch mit SRF News das komplizierte Verhältnis zur SVP: «Am einen Tag will sie das Frühstück im Militär zwangsregulieren. Am anderen fordert sie mehr Deregulierung in der Euro-Zone . Das war geradezu absurd.»

FDP-Nationalrätin Doris Fiala erklärte, was die bürgerliche Front trennt – und was sie verbindet: «Unsere Differenzen mit der SVP im Liberalen oder Konservativen sind offensichtlich. Es ist aber gut, dass wir uns Punkto Arbeitsplätze und Wohlstand wieder einmal einig sind», gab sie ihrem SP-Ratskollegen Roger Nordmann Kontra. Einigkeit bedeutete in diesem Fall die Ablehnung der Stromeffizienz-Initiative.

  • Mobilmachung gegen Wolf und Schwan

Dissonanzen gibt es auch in der Tierwelt: Vom Speiseplan über das Biotop haben Wolf und Schwan kaum Gesprächsstoff. Doch diesmal waren sie vereint – in der Angst vor den Parlamentariern. Motionäre aus dem Ständerat wollten beide zur jagdbaren Tierart erklären; auch wenn sie Unterschiedliches gegen den «alten Mörder» und den Entenvogel ins Feld führten (letzterer sei ohne natürliche Feinde zu zahlreich geworden und verkote Wiesen und Spazierwege, kurz: «der Höckerschwan hat an Sympathie verloren», so Ex-Ständerat Paul Niederberger (CVP)).

Vor allem beim Thema Wolf gingen die Wogen hoch, auch ausserhalb von Bundesbern, wie unsere Reportage aus dem Goms zeigte. Dort mokierte sich ein Schafzüchter wegen eines Stammtisch-Streits. Zankapfel waren dessen ungehobelte Herdenschutzhunde: «Der ganz Abe wäge dene Hind, Hind, Hind…de häni me gseit: Dü bisch der bescht Kolleg, aber wennd nu eismal d’Schnurra üftüesch, de chlepfender eis! So verruckta bini cho!»

Und auch der Entscheid der kleinen Kammer schlug hohe Wellen im Rhonetal: der Wolf bleibt geschützt, solange er sich anständig verhält. Das Walliser Wolfsrudel in spe kann sich – unter scharfer Beobachtung – der Familienplanung widmen. Schweizer Höckerschwäne schlucken jedoch dreimal leer: Auch sie bleiben zwar grundsätzlich geschützt , «bei konkreten Problemen» dürfen sie aber künftig geschossen werden. Damit steht der Schwan auf der gleichen Stufe wie der Wolf. Am Horizont ziehen währenddessen dunkle Wolken für den Biber auf. Diverse Räte prophezeien, dass auch er bald ins Fadenkreuz der Politik gerät. Hüter der Biodiversität war gestern.

  • Erheiterndes, das ohne politische Folgen bleiben wird

In der Frühlingssession dominierte jedoch nicht nur der tierische Ernst. Johann Schneider-Ammann nutzte etwa eine technische Panne zur persönlichen Rehabilitierung: «Ça me donne la chance de rire», witzelte der Wirtschaftsminister als sein Mikrofon streikte – und spielte damit rhetorisch kunstvoll auf sein bierernstes Referat über das Lachen an. Für Erheiterung sorgte auch eine pikierte SVP-Nationalrätin Magdalena Martullo(-Blocher) : Sie verbat sich vom Sozialdemokraten Beat Jans als «Frau Blocher» angesprochen zu werden. Die EMS-Chemie-Chefin will sich offenbar vom langen Schatten des (SVP-)Übervaters emanzipieren.

Ein anderes Aushängeschild der Volkspartei brachte Regula Rytz ins Spiel. Sie erinnerte während der Debatte zur Stromeffizienz-Initiative an einen «legendären Fernsehauftritt» des Berner Alt Bundesrates Adolf Ogi. 1988 demonstrierte der «erste Botschafter für Energieeffizienz» der Nation, wie man ressourcenschonend Eier kocht. Leider sei die Aufnahme verschollen, bedauerte die Grünen-Nationalrätin.

Wir haben im Archiv gegraben – und müssen den traurigen Befund bestätigen. Immerhin, die Vorbereitungen sind dokumentiert:

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