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Kurt Fluri mit nach oben gerichtetem Blick.
Legende: Der Vater des «Inländervorrangs light», FDP-Nationalrat Kurt Fluri, verfolgt die Debatte gespannt. Keystone

Session «Der Nationalrat nimmt den Verfassungsbruch offenbar in Kauf»

Erstmals wird Handfestes zur Umsetzung der Zuwanderungsinitiative entschieden. Der Nationalrat hat mit der Debatte begonnen. Dabei scheint der sogenannte «Inländervorrang light» die besten Erfolgsaussichten zu haben, wie Bundeshausredaktor Philipp Burkhardt feststellt.

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Zweieinhalb Jahre nach dem Volks-Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) entscheidet der Nationalrat über die Umsetzung der neuen Verfassungsbestimmung. Im Zentrum steht der «Inländervorrang light», den die Staatspolitische Kommission des Nationalrats verabschiedet hat.Sie schlägt ein dreistufiges Modell vor: Zunächst muss der Bundesrat dafür sorgen, dass das inländische Arbeitskräftepotenzial besser genutzt wird. Weiter kann er eine Meldepflicht für offene Stellen anordnen, den «Inländervorrang light». Als letzte Stufe könnte der Zugang zum Arbeitsmarkt für EU-Arbeitskräfte eingeschränkt werden, allerdings nur mit dem Einverständnis Brüssels.

SRF News: Würde mit dem «Inländervorrang light» der Verfassungsartikel, den wir an der Urne angenommen haben, umgesetzt?

Philipp Burkhardt

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Burkhardt ist Leiter der Bundeshausredaktion von Radio SRF, für das er seit 15 Jahren tätig ist. Davor hatte er unter anderem für «10vor10» und die «SonntagsZeitung» gearbeitet.

Philipp Burkhardt: Der Vorschlag hat mit dem Verfassungsartikel aus der MEI praktisch nichts mehr zu tun. Der Artikel wird teilweise sogar ins Gegenteil verkehrt, so dürfen gemäss Kommissionsvorschlag weitergehende Massnahmen nur mit Zustimmung der EU beschlossen werden. Das ist genau das, was die Verfassung nicht will. Darin steht, dass die Schweiz die Zuwanderung eigenständig steuert. Zahlreiche Verfassungsrechtler sehen im Kommissionsmodell daher eine krasse Verletzung der Bundesverfassung. Sie sind der Ansicht, man müsse die Verfassung entsprechend anpassen. Dazu müssten Volk und Stände in einer Abstimmung aber zuerst Ja sagen. Im Nationalrat hat bisher niemand einen Antrag vorgelegt, der eine solche Anpassung verlangt. Die grosse Kammer nimmt den Verfassungsbruch offenbar in Kauf – mit der Begründung, die bilateralen Verträge mit der EU dürften nicht gefährdet werden.

Welche Chancen hat der «Inländervorrang light», im Nationalrat durchzukommen?

Er hat beste Erfolgsaussichten. Dezidiert dagegen ist nur die SVP. Schärfere Massnahmen verlangt noch die CVP. Der ganze Rest des Nationalrats – einige Abweichler ausgenommen – steht hinter dem Modell. Das wird trotz mehrstündiger, phasenweise extrem emotionaler Debatte eine ziemlich klare Sache.

Der Ständerat wird in der Wintersession über die Vorlage debattieren. Wird das Kommissionsmodell dort auch so schlank durchgehen?

Bis dahin kann sich noch einiges bewegen. Aus heutiger Sicht gehe ich davon aus, dass das Inländervorrang-Modell aus dem Nationalrat auch im Ständerat durchaus Chancen haben wird. Auch dort ist eine Verschärfung ohne die FDP nicht zu machen. Bisher gibt es jedoch keine Anzeichen dafür, dass die Freisinnigen im Ständerat ihre Meinung ändern könnten. Die Frage nach einer Verfassungsänderung dürfte in der kleinen Kammer hingegen intensiv zu Diskutieren geben. Ich halte es für möglich, dass sie auf eine erneute Volksabstimmung drängen wird.

Das Gespräch führte Isabelle Maissen.

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