Rund 400 Lobbyisten sind in Bundesbern zugelassen. Viele vertreten Interessen aus der Privatwirtschaft, andere wiederum jene von Umweltverbänden. Aber auch die Kantone weibeln mit eigenen Lobbyisten um die politische Gunst – und dies obwohl sie mit ihren Ständeräten ja bereits direkt im Parlament vertreten sind.
Der Kanton Genf leistet sich sogar ein richtiges Lobby-Büro. Darin sitzt Sacra Tomisawa. Ihr Telefon lässt sie nie lange klingeln. Sie ist immer erreichbar – und lässt keine Chance zum Gespräch ungenutzt verstreichen.
Die Agenda der Kantonslobbyistin ist vollgeklebt mit Post-it-Zetteln. Ihre Planung ändert andauernd. «Post-its sind einfacher umgeklebt als Termine durchgestrichen und neugeschrieben», erklärt sie gegenüber SRF.
Vor allem Information
Vor und während der Session ist die Lobbyarbeit besonders intensiv. Es gilt, Bundesparlamentarier von den Interessen Genfs zu überzeugen: Einschränkungen beim Alkoholverkauf, Krankenkassenprämien, die zurückbezahlt werden müssen. Das sind Debatten, zu denen Genf gehört werden will. «Lobbyarbeit – klar! Aber eigentlich ist es vor allem Information, die wir nach Bern bringen müssen.»
Das Genfer Büro liegt direkt beim Bahnhof in Bern. «Service des Affaires Fédérales et Intercantonales» heisst es auf dem Schild. Drinnen erinnern zwei Stadtansichten und fünf Kisten Genfer Pinot Noir an die kantonale Anbindung der Lobbyistin.
Spezielle Bedürfnisse
Als erster Kanton hat Genf 2009 eine Vertretung in der Hauptstadt eröffnet. Denn Genf hat spezielle Bedürfnisse. «Wir haben nur eine Grenze mit einem anderen Kanton: dem Waadtland. Das heisst, wir haben viele Besonderheiten, die mit Grenzgängern zu tun haben.» Und da ist auch noch das internationale Genf, welches eine spezielle Struktur mit sich bringt, wie Tomisawa erläutert.
«Diese strukturellen Besonderheiten machen, dass wir spezielle Bedürfnisse haben, die wahrscheinlich nicht immer in den Gesamtkonferenzen vertreten sind.» Weitere periphere Kantone wie Basel oder Tessin sind dem Beispiel Genfs gefolgt.
Eine gute Investition
750'000 Franken ist Genf die Lobbyarbeit wert. Staatskanzlerin Anja Wyden Guelpa ist überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt: «Weil oft, wenn ein Gesetz in der Parlamentsphase ist, die Weichen meist mehr oder weniger gestellt sind.» Je früher man intervenieren könne, desto höher seien die Chancen, Einfluss zu nehmen.
Mehr zur Session
Deswegen halten Lobbyistinnen wie Tomisawa ihre Nase frühzeitig – also bereits während den Kommissionssitzungen – in den Wind. Auch wenn das Erbschaftssteuerabkommen mit Frankreich noch nicht auf dem Sessionsplan steht, wird sie schon jetzt deswegen durch die Gänge des Bundeshauses eilen.
«Es geht um die Finesse, den Parlamentariern bei Kleinigkeiten antworten zu können», beschreibt Tomisawa ihre Aufgabe. Sie nennt es auch das nötige Finetuning der Argumente. Und an Themen fehlt es ihr nicht. Die Post-it-Zettel in ihrer Agenda sind – unmittelbar vor der Session – noch mehr geworden als sonst.