Darum geht es: Mit der dritten und letzten Sessionswoche geht das Ringen um die Rentenreform in die entscheidende Runde. Vor der Debatte im Nationalrat machte dessen Sozialkommission ein grosses Zugeständnis gegenüber dem Ständerat: Sie verzichtete auf die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre, falls die AHV in Schieflage gerät. Die gravierendste Differenz zur kleinen Kammer blieb jedoch bestehen: Die Nationalratskommission widersetzte sich den ständerätlichen Plänen, AHV-Neurenten künftig 70 Franken zuzuschlagen. Die Gretchenfrage vor der Debatte: Schwenkt der Nationalrat trotzdem auf das Ständeratsmodell ein?
Die wichtigsten Entscheide:
- Renteneinbussen in der 2. Säule sollen nicht mit einem 70-Franken-Zuschlag auf die AHV kompensiert werden. In diesem Punkt setzte sich das rechtsbürgerliche Lager gegen SP, CVP und BDP durch.
- Die grosse Kammer bleibt bei einer Erhöhung der Mehrwertsteuer um 0,6 Prozent. Der Ständerat fordert 1 Prozent.
- Der Nationalrat folgt seiner Kommission und verzichtet auf die Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre als Ultima Ratio. Hier sind sich die Kammern nun einig.
- Auch auf Einschnitte bei den Witwen-, Hinterbliebenen- und Kinderrenten verzichtet der Nationalrat. Hier lenkten SVP, FDP und GLP auf Ständeratskurs ein.
Das sagen die Unterstützer des Ständeratsmodells:
«Wir müssen die Vorlage jetzt über die Ziellinie bringen. Das wird von der Bevölkerung zurecht von uns erwartet», sagte Christine Häsler (Grüne/BE). Mit der Vorlage des Ständerats sei dies möglich, und diese könne auch vor dem Volk bestehen. Ruth Humbel (CVP/AG) sekundierte: «Das ständerätliche Modell ist durchdacht und solide, während sich die Kommissionsmehrheit in einem Schleuderkurs in die Sackgasse manövriert hat». Die kompromisslose Haltung von SVP und FDP sei «verantwortungslos», schloss Humbel.
Lorenz Hess (BDP/BE) meinte zum umstrittenen AHV-Zustupf: «Am Ende wird nicht das Parlaments-Mikado entscheiden: Wer sich zuerst bewegt, verliert.» Entscheidend werde sein, schloss Hess, wer die Vorlage versenken wolle oder eben nicht: «Und dabei kommt man um die 70 Franken nicht herum.»
Das sagen die Gegner des Ständeratsmodells:
«Wir verzichten auf alles, was wir vertreten können. Wir erwarten nun vom Ständerat, dass er unserem Rat ebenfalls entgegenkommt», sagte Sebastian Frehner (SVP/BS) stellvertretend für die Gegner der 70 Franken für die AHV. Dies würde die 1. Säule in den Ruin treiben und kommenden Generationen einen «gewaltigen Schuldenberg» hinterlassen. Das Konstrukt des Ständerats sei «morsch», die SVP stelle sich gegen einen «faulen Kompromiss» zwischen den Räten.
Thomas de Courten (SVP/BL) warnte vor einem «grundlegenden Systemfehler», der vom Ständerat in die AHV geschleust werde: «Das ist nur ein Feigenblatt für die Volksabstimmung.» Das zweite unmissverständliche Veto im rechtsbürgerlichen Lager gab es bei der Mehrwertsteuer: «Die enormen Mehrbelastungen des Ständerats schaden den Konsumenten, den Unternehmen und damit der Volkswirtschaft», sagte Bruno Pezzatti (FDP/ZG).
Das sagt Bundesrat Berset: «Ein Scheitern ist keine Option. Langsam aber sicher müssen wir zu einer Einigung zwischen den Räten kommen», appellierte der Sozialminister an die Parlamentarier. Der SP-Bundesrat plädierte dafür, bei der Mehrwertsteuer-Frage auf Kurs des Ständerats einzuschwenken. Denn eine Erhöhung um 0,6 Prozent würde die AHV nur bis 2025 stabilisieren: «Mit der demographischen Entwicklung braucht es danach erneut eine Reform», sagte Berset.
So geht es weiter: Morgen Dienstag ist die Einigungskonferenz am Zug. Diese setzt sich aus den 13 Mitgliedern der Ständeratskommission und einer ebenso grossen Delegation der Nationalratskommission zusammen. Die Allianz aus CVP, SP und BDP, die sich für den AHV-Zuschlag einsetzt, ist im Gremium in der Mehrheit. Am Donnerstag entscheiden die Räte über den Antrag der Einigungskonferenz – wird er durch einen der Räte verworfen, ist die Rentenreform gescheitert. Am Freitag kommt es schliesslich zur Schlussabstimmung. Winkt das Parlament die Rentenreform durch, folgt am 24. September der letzte Akt: Die Volksabstimmung. Für diese braucht es kein Referendum, da die Mehrwertsteuererhöhung als Teil der Reform zwingend vors Volk muss.
Das sagt Bundeshausredaktor Dominik Meier
National- und Ständerat sind sich nicht entscheidend näher gekommen. Die zwei grossen Streitpunkte bleiben. Bei der Frage, wie Lücken in den Pensionskassen gestopft werden sollen, dürfte sich in der Einigungskonferenz das 70-Franken-Modell des Ständerats durchsetzen. Ob sich das Mitte-Links-Lager, das in der Konferenz eine Mehrheit hat, auch bei der höheren Mehrwertsteuer durchsetzt, ist aber fraglich. Denn hier gibt es Bewegung: Die CVP möchte dem rechten Lager entgegenkommen. |