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Shutdown ab Montag Das Ende des Schweizer Wegs

3001 Ansteckungen registrierte das Bundesamt für Gesundheit heute. Das ist viel, aber die Zahl ist deutlich tiefer als vor einer oder zwei Wochen. Der Bundesrat verschärft die Massnahmen zu einem Zeitpunkt, da die Fallzahlen eigentlich eher auf leichte Entspannung deuten.

Es wäre naheliegend gewesen, wenn er auch diesmal abgewartet und noch nicht verschärfen hätte. Er wäre damit auf dem Kurs geblieben, den man in dieser Pandemie den «Schweizer Weg» nennt. Doch eine Virusmutation, die die Fallzahlen in Grossbritannien in die Höhe treibt, hat diesen Weg recht abrupt beendet.

Bundesrat liess sich nicht bremsen

Umso bemerkenswerter macht diesen Kurswechsel, dass sich der Bundesrat dabei weder von der Mehrheit der Kantone, der Mehrheit der wirtschaftspolitischen Kommission des Nationalrats noch von den mächtigen Wirtschaftsverbänden bremsen liess. Sie alle weibelten in den letzten Tagen insbesondere gegen die Schliessung der Läden des nicht täglichen Bedarfs und die Homeoffice-Pflicht.

Für die neuen Regeln, die die Schweiz ab Montag ziemlich nahe an den Shutdown vom letzten Frühling bringen, gibt es gute Gründe. Es geht darum, die als viel ansteckender geltenden Virusmutationen in der Schweiz in Schach zu halten. Zu einem Zeitpunkt, da die Zahl der Ansteckungen mit diesen Mutationen zwar schnell, aber noch auf tiefem Niveau wächst. Oder wie es Gesundheitsminister Berset heute sagte, man wolle auf diese Weise einen Wissensvorsprung ausnutzen.

Der Bundesrat handelt damit seit längerer Zeit wieder proaktiv und wartet nicht eine Verschlechterung der epidemiologischen Lage ab, die sich in steigenden Fallzahlen ausdrückt.

Unschärfen werden in Kauf genommen

Zum Schweizer Weg gehörte allerdings immer auch, Massnahmen anzuordnen, die von der Bevölkerung verstanden und deshalb befolgt werden. Auch hier ist der Bundesrat seinem bisherigen Kurs nicht ganz treu geblieben. Dass ab Montag keine Kleider mehr, aber Gartenartikel gekauft werden können, wirkt nicht auf Anhieb logisch.

Und die Tatsache, dass – streng nach 5-Personen-Regel – eine fünfköpfige Familie keinen Besuch mehr empfangen darf, eine vierköpfige hingegen schon, wird manchem ungerecht vorkommen. Solche Unschärfen nimmt der Bundesrat in Kauf unter dem Eindruck, dass es nun schnell gehen muss.

Ob der Bundesrat heute voreilig, vorausschauend oder noch immer zu zurückhaltend entschieden hat, wird sich wie immer in dieser Pandemie erst später zeigen. Die Kritik ist ihm aber jetzt schon sicher. Im Falle einer dritten Welle von jenen, die schon heute weiter gehen wollten. Beim Ausbleiben einer dritten Welle von jenen, die sich bestätigt fühlen, dass es gar keine so scharfen Massnahmen gebraucht hätte.

Gion-Duri Vincenz

Bundeshausredaktor

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Gion-Duri Vincenz ist seit 2003 SRF-Redaktor im Bundeshaus und arbeitet vor allem für die «Tagesschau» und «10vor10». Neben seiner Tätigkeit als Korrespondent in Bern moderiert er auch Abstimmungssendungen von SRF.

SRF 4 News, 13.01.2021, 15:30 Uhr

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