- Bundesrat Ignazio Cassis versprach vor seinem Amtsantritt vergangenen Herbst, den «Reset-Knopf» beim Europa-Dossier zu drücken.
- Heute wird der Bundesrat eine erste grosse Europa-Diskussion während einer Klausurtagung mit dem neuen Aussenminister führen.
- Nach den zum Teil widersprüchlichen Aussagen von letzter Woche solle der Bundesrat zu einer einheitlichen Linie finden, fordern Parlamentarier.
Im Europa-Dossier präsentierte sich der Bundesrat in den letzten Tagen als vielstimmiger Chor. Nun wünschen sich Parlamentarierinnen und Parlamentarier Klarheit. Sie erwarte vom Bundesrat eine europapolitische Gesamtstrategie, sagt FDP-Präsidentin Petra Gössi. Er solle sagen, welche Ziele er bis wann erreicht haben wolle. «Was sind die wichtigsten Punkte für die Schweiz?» Und vor allem solle klar werden, «dass der Aussenminister in diesem Dossier im Lead ist».
Der neue FDP-Aussenminister Ignazio Cassis soll also europapolitisch das Steuer übernehmen – gerade auch gegenüber Brüssel.
Abschaffung des Roamings als Zückerchen
Eine einheitliche Haltung fordert auch die Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission (APK), Elisabeth Schneider-Schneiter. Die CVP-Nationalrätin wünscht sich ein grosses Gesamtpaket mit der EU, das möglichst viele offene Fragen bündelt, vom Rahmenabkommen bis zu einem Stromvertrag mit der EU. Ein Teil davon könnte auch eine Lösung bei den hohen Roaming-Telefontarifen sein, die in der EU bereits abgeschafft sind, schlägt Schneider-Schneiter vor: «Nur die Schweiz ist noch eine Roaming-Insel.»
Damit – also mit günstigeren Handy-Gebühren als europapolitischem Zückerchen – könne man bei der Stimmbevölkerung auch Goodwill schaffen im Europa-Dossier. Für die SP stehen die flankierenden Massnahmen im Zentrum, die Schweizer vor Lohndruck aus dem Ausland schützen sollen.
Unsere Position ist klar: Kein Rahmenabkommen, keine automatische Rechtsübernahme.
Darauf müsse der Bundesrat gegenüber der EU zwingend bestehen, so SP-Vizepräsident Beat Jans. «Es wäre jetzt das Dümmste, uns die Personenfreizügigkeit schmackhaft machen zu wollen, und dann gleichzeitig anzukündigen, dass es schlechtere Löhne gibt.»
SVP verlangt Marschhalt vom Bundesrat
Die SVP hingegen fordert die Beseitigung der flankierenden Massnahmen. Stattdessen solle die Schweiz die Zuwanderung selber steuern. Entsprechend brauche es beim EU-Dossier einen Stopp, so SVP-Fraktionspräsident Thomas Aeschi: «Ich erwarte, dass der Bundesrat einen Marschhalt einlegt, dass er nicht weiter am Rahmenabkommen verhandelt. Unsere Position ist klar: kein Rahmenabkommen, keine automatische Rechtsübernahme.»
Der Bundesrat spricht sich heute aus. Richtungsweisende Entscheide fällt er möglicherweise noch gar keine. Aber wenigstens mit der bundesrätlichen Vielstimmigkeit könnte es nach der Aussprache vorbei sein.