Darum geht es: In verschiedenen kantonalen Parlamenten wird darüber diskutiert, bei der Sozialhilfe zu sparen. Im Aargau und in Bern haben sie sich bereits für weitreichende Kürzungen ausgesprochen. In Bern steht morgen die zweite Lesung eines umstrittenen Kürzungsvorhabens an. Die Idee dahinter: Wird das Geld gekürzt, werden sich die Sozialhilfeempfänger stärker darum bemühen, eine Stelle zu suchen und zu arbeiten.
Sozialhilfe-Quote ist stabil: Über die Jahre gesehen, bleibt die Quote der Sozialhilfeempfänger relativ stabil. Aktuell liegt sie in der Schweiz bei 3,3 Prozent der Bevölkerung. Pro Jahr schafft es rund ein Viertel aus der Sozialhilfe-Abhängigkeit heraus, rund ein Viertel kommt allerdings neu hinzu, wie Renate Salzgeber, Professorin an der Berner Fachhochschule für Soziale Arbeit, weiss.
Nicht alle sind für den Arbeitsmarkt fit: Nur rund ein Drittel der Sozialhilfeempfänger können sich jemals wieder auf dem Arbeitsmarkt bewähren. Dabei helfen die Sozialdienste und die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Doch der Aufwand ist gross: «Diese Menschen haben Startschwierigkeiten und wir müssen viel unternehmen, damit sie eine Chance kriegen», sagt Marc Gilgen, der im Kanton Bern für die RAV zuständig ist.
Vielfältige Programme: Weiterbildungen, Sprachprogramme, Einarbeitungszuschüsse, Schnuppereinsätze: Das sind Möglichkeiten, mit denen die RAV versuchen, die Betroffenen für den Arbeitsmarkt wieder fit zu machen. Trotzdem bleibe es für viele schwierig, eine Anstellung zu finden: Ein Arbeitgeber suche jemanden mit einem gewissen Profil, so Gilgen. Wenn dieses mit den Fähigkeiten des Arbeitssuchenden übereinstimme, bestehe eine Chance, sonst nicht.
Individuelle Betreuung: Genormte Arbeitsintegrationsprogramme und Druck alleine bewirken oftmals nichts. Insbesondere bei Jugendlichen sei es viel besser, sie eng zu begleiten und zu betreuen, sagt Professorin Salzgeber. Man müsse sie für Ausbildungen motivieren, sie ernst nehmen und mit ihnen offen und ehrlich umgehen. So bestehe eine Chance, dass sie dereinst auf eigenen Beinen stehen können.
Hoffnungslose Fälle: Rund zwei Drittel der Sozialhilfebezüger haben aber überhaupt keine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Da habe es auch keinen Sinn, die Sozialhilfe zu kürzen, mit Leistungskürzungen zu drohen oder von den Empfängern Wohlverhalten einzufordern, sagt Salzgeber: «Es verschärft nur die Situation der Personen, etwa von Familien mit Kindern. Was soll der Anreiz sein, wenn man einfach zu wenig Geld zum Leben hat – ohne Chance einen Job zu finden?»
Sozialhilfe als letztes Netz: Die Sozialhilfe sichert den Betroffenen das Existenzminimum und ermöglicht es ihnen, am Sozialleben teilzuhaben. Sozialhilfeempfänger ohne Chance auf dem Arbeitsmarkt spüren den Druck aus der Politik am stärksten, wenn nun über eine Kürzung der Beträge diskutiert wird – ohne dass sie es in der Hand hätten, etwas an ihrer Situation zu ändern.