Haben Sie in den letzten Wochen und Monaten auch Post von Stiftungen, Hilfswerken oder anderen Non-Profit-Organisationenen erhalten? Viele Briefe mit Spendenaufrufen flattern im Moment ins Haus, und viele davon beziehen sich auf die Coronakrise.
Dem Ballenberg fehlt eine halbe Million
«Der Ballenberg braucht und bittet Sie um Ihre Nothilfe» – so steht es etwa im Spendenaufruf des Freilichtmuseums im Berner Oberland. Wegen Corona musste man schliessen, Einnahmen fehlten.
Von einem Bettelbrief möchte Stiftungsratspräsident Peter Flück allerdings nicht sprechen: «Für uns ist es eine normale Public-Fundraising-Aktion, die wir drei- bis viermal jährlich durchführen. Aber der ausstehende Betrag von einer halben Million fehlt uns tatsächlich.»
Für uns ist es eine normale Public-Fundraising-Aktion. Aber der ausstehende Betrag von einer halben Million fehlt uns tatsächlich.
Ähnlich tönt es bei anderen Non-Profit-Organisationen. Man versende mehrmals pro Jahr Spendenaufrufe, nun nehme man noch Bezug auf Corona, erklärt Eliane Engeler von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe.
Der Spendenbrief für Juli laufe unter dem Thema «Corona in den griechischen Flüchtlingscamps», weil die Menschen dort gerade dringend Hilfe brauchten. Auch Sucht Schweiz betont, der jetzige Aufruf sei kein zusätzlicher.
Viele sammeln gleichzeitig
Normalerweise koordiniert die Zertifizierungsstelle für Hilfswerke (Zewo) die Spendenaufrufe, damit sie gestaffelt erfolgen. Durch die Coronakrise sammelten nun aber viele Hilfswerke gleichzeitig, sagt Geschäftsleiterin Martina Ziegerer. Durch diese besondere Situation seien zusätzliche Bedürfnisse und neue Notsituationen entstanden.
Roger Tinner ist Geschäftsführer vom Swiss-Fundraising-Verband, der Berufsverband der Schweizer Fundraiser. Auch ihm fällt auf, dass es momentan viele Spendenaufrufe gibt: Allerdings hätten die Briefe zum Teil auch andere Instrumente ersetzt, die nicht mehr eingesetzt werden konnten: Dazu gehörten etwa Face-to-face-Fundraising auf der Strasse oder an Veranstaltungen.
Grosse Spendenfreudigkeit
Die Aufrufe kommen offenbar gut an. Viele Hilfswerke melden, dass die Solidarität gross sei. Gerade die coronabedingte Not macht hierzulande offenbar spendabel. So konnte etwa die von der SRG gegründete Glückskette fast 40 Millionen Franken für Menschen in der Schweiz sammeln, die wegen Corona in einer schwierigen Situation sind.
Die Glückskette verteilt das Geld jeweils an verschiedene Hilfswerke. «Die Krise hat gezeigt, dass sich die Bevölkerung in der Schweiz sehr solidarisch zeigen kann, obwohl sie selber auch betroffen ist», konstatiert Mediensprecherin Priska Spörri.
Zewo: Beständige Solidarität in Krisenzeiten
Laut der Zertifizierungsstelle Zewo spenden Menschen vor allem bei akuten Krisen. Im aktuellen Fall stelle sich nun auch die Frage, wie stark die Rezession ausfallen und wen sie betreffen werde, schätzt Geschäftsleiterin Ziegerer und ergänzt: «Aus der Vergangenheit sehen wir aber, dass das Spenden und die Solidarität in Krisenzeiten gross sind und Bestand haben.»
Die Vergangenheit zeigt, dass Spenden und Solidarität in Krisenzeiten gross sind und Bestand haben.
Die Spendenfreudigkeit in der Schweiz ist im Moment also gross. Offen ist, ob sie bestehen bleibt, auch wenn die Coronakrise fortdauert.