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SRG-Wahlbarometer Mächtiger Berset – blasser Cassis: das Bundesratsranking

Das SRG-Wahlbarometer beleuchtet, welche Bundesrätinnen und Bundesräte von der Schweizer Stimmbevölkerung als einflussreich und sympathisch wahrgenommen werden. Bundesrat Alain Berset verzeichnet in beiden Kategorien weiterhin Topwerte. Schlusslicht bleibt Ignazio Cassis.

Der Politologe Michael Hermann über Bersets anhaltende Strahlkraft – und warum Cassis sich ein Beispiel an alt Bundesrat Pascal Couchepin nehmen sollte.

Michael Hermann

Politologe, Forschungsinstitut Sotomo

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Michael Hermann ist Geograf und Politikwissenschaftler. Er ist Leiter des Forschungsinstituts Sotomo, das die Umfrage zum SRF-Wahlbarometer durchgeführt hat.

SRF News: Die Pandemie mit dem omnipräsenten Gesundheitsminister Alain Berset ist aus den Köpfen der Menschen verschwunden. Michael Hermann, warum gilt er immer noch als derart einflussreich?

Michael Hermann: Unsere Ergebnisse zeigen sehr schön: Wenn man einmal ein Image hat, bleibt es in der Regel haften. Bei Berset war die Pandemie die prägende Zeit für die Imagebildung – auch wenn sie nicht mehr präsent ist, bleiben die Zuschreibungen. Eine Rolle spielt auch sein Habitus, die Art seines Auftretens. Berset wirkt wie ein machtvoller Mensch. Schliesslich steht er als Sozial- und Gesundheitsminister mit seinem Departement weiter im Zentrum, so etwa bei der Reform der Alterswerke.

Berset machte zuletzt mit einigen Affären Schlagzeilen. Hat das seinem Image nicht nachhaltig geschadet?

Man muss zwischen dem wahrgenommenen Einfluss und den Sympathiewerten eines Bundesrats unterscheiden. Bei den Sympathien sieht man, dass diese rückläufig sind. Sie sind im Laufe der Zeit erodiert. Die Kumulation der Ereignisse im Sommer – allem voran sein Irrflug über französischem Territorium – hat eine Delle in Bersets Image hinterlassen. Inzwischen ist dieser Effekt aber weitgehend verpufft.

Berset mit Hut und Sonnenbrille vor einer Medienkonfernz in Bern, August 2021.
Legende: Skandale und Skandälchen haben Berset keinen bleibenden Imageschaden zugefügt. «Negative Wahrnehmungen können wieder verschwinden, sobald Realpolitik einsetzt», sagt Hermann. «In Bersets Fall mit dem Abstimmungskampf um die AHV-Reform vom Spätsommer.» Keystone/Peter Schneider

Aussenminister Cassis konnte offenbar auch als Bundespräsident nicht an Einfluss und Sympathie zulegen, obwohl er mit dem Krieg in der Ukraine zusätzlich im Schaufenster stand. Warum gelang ihm das nicht?

Ein gewisser positiver Effekt des Präsidialjahres ist zwar spürbar. Dieser war aber nicht mit demjenigen bei Guy Parmelin im Vorjahr vergleichbar. Als konzilianter SVP-Bundesrat pflegte Parmelin während der Pandemie einen landesväterlichen Stil. Das gab ihm einen Bonus. Cassis verharrt dagegen sowohl im Einfluss- als auch im Sympathieranking auf dem letzten Rang. Wie bei Berset zeigt sich: Sobald sich ein Image gefestigt hat, ist es schwierig, dieses neu zu prägen.

Im Fall von Cassis könnte man sagen: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.

Auch beim Umgang mit dem Krieg in der Ukraine machte Cassis nicht immer eine gute Figur. Gerade anfangs waren seine Aufritte wenig überzeugend. Cassis wirkte nicht landesväterlich, sondern hilflos und überfordert. Manchmal gibt es Figuren, denen beim Aufritt und im Habitus weniger zugetraut wird als anderen.

Im Fall von Cassis könnte man sagen: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert. Manchmal ist es besser, solche Umfragen entspannt zu sehen. Vorgemacht hat das der ehemalige Walliser FDP-Bundesrat Pascal Couchepin: In vergleichbaren Umfragen schnitt auch er jeweils schlecht ab. Er nahm das aber locker und liess sich nicht beirren.

Besucher eines Cafés beobachten die Aufzeichnung der 1. Augustansprache von Bundespraesident Ignazio Cassis
Legende: Der Aussenminister wird kritisch beäugt. Könnte ein Departementswechsel helfen? Hermann ist skeptisch: «Ein Befreiungsschlag wäre das kaum. Art, Aufritt und Erscheinung ändern sich ja nicht. Aber es könnte eine Entspannung bringen.» Festgefahrene Dossiers wie das Verhältnis der Schweiz zur EU könnten wegfallen, es kämen neue Aufgaben auf Cassis zu. Keystone/Massimo Piccoli

VBS-Chefin Viola Amherd gilt als sehr sympathisch, aber wenig einflussreich. Hat ihre erhöhte Präsenz und Bedeutung des Amts in Kriegszeiten nichts geändert?

Es ist auffällig, dass auch ihre Sympathiewerte etwas gelitten haben. Der Gegenwind bei der Kampfjetbeschaffung hat offensichtlich Spuren hinterlassen. Amherd wird im Bundesrat als wenig einflussreich wahrgenommen. Das passt dazu, dass die Landesverteidigung im SRG-Wahlbarometer weit hinten liegt bei den politischen Herausforderungen.

Die militärische Bedrohung steht für die Schweizer Bevölkerung trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine nicht im Vordergrund.

Eine spannende Personalie als Nachfolger von Ueli Maurer könnte Albert Rösti sein. Denn auch er kommt gut an bei der Basis.

Der abtretende Finanzminister Maurer polarisiert wie niemand sonst im Bundesrat – und das ganz bewusst. Damit ist er ein Stück weit Abbild seiner Partei. Droht für die SVP im Bundesrat eine Lücke zu entstehen?

Diesbezüglich hinterlässt Maurer sicher eine Lücke. Alle Kandidierenden für Maurers Nachfolge sind konzilianter als er. Bei Maurer ist allerdings auffällig: Er polarisiert nicht nur, er ist auch sehr beliebt bei der SVP-Basis. Durch ihn hat die Basis jemanden im Bundesrat, mit dem sie sich stark identifizieren kann.

Ueli Maurer geht die Treppe zum Bernerhof hoch
Legende: Steuert die SVP mit Maurers Abgang aus dem Bundesrat auf ein Problem zu? Politologe Hermann relativiert: «Ein Bundesrat taugt nur bedingt als Zugpferd für seine Partei. Vor drei Jahren hat die SVP trotz Maurer stark verloren. Themen sind wichtiger als Köpfe.» Keystone/Anthony Anex

Eine spannende Personalie als Nachfolger von Ueli Maurer könnte Albert Rösti sein. Denn auch er kommt gut an bei der Basis und weiss als ehemaliger Parteipräsident, wie man eine Verbindung zu ihr herstellt. Maurer schaffte Identifikation mit der Basis meist dann, wenn er sich dem Bundesrat entgegenstellte. Der konziliantere Rösti könnte dagegen dazu beitragen, dass sich die SVP-Basis stärker mit dem Bundesrat als Gremium identifizieren kann.

Das Gespräch führte Manuel Imhasly.

Datenerhebung und Stichprobenfehler zur Umfrage

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Die Umfrage für den Wahlbarometer hat das Forschungsinstitut Sotomo im Auftrag der SRG SSR durchgeführt. Die Datenerhebung fand zwischen dem 26. September und dem 7. Oktober 2022 statt und die Befragung erfolgte online. Die Teilnehmenden wurden einerseits über die Webportale der SRG, andererseits via Online-Panel von Sotomo rekrutiert.

Nach der Bereinigung und Kontrolle der Daten konnten die Angaben von 21‘038 Wahlberechtigten für die Auswertung verwendet werden (Deutschschweiz 17‘460, französische Schweiz 3036, italienische Schweiz 542).

Gewichtung der Stichprobe

Da sich die Teilnehmenden der Umfrage selber rekrutieren (sogenanntes Opt-in-Verfahren), ist die Zusammensetzung der Stichprobe nicht repräsentativ für die Grundgesamtheit. So nehmen typischerweise mehr Männer als Frauen an politischen Umfragen teil. Deshalb gewichtet Sotomo die Antworten statistisch, um den Verzerrungen in der Stichprobe entgegenzuwirken. Die Gewichtung erfolgt mittels IPF-Verfahren (Iterative Proportional Fitting).

Neben räumlichen (Wohnort) und soziodemografischen Gewichtskriterien (Alter, Geschlecht, Bildung) werden auch politische Gewichtungskriterien beigezogen, wie das Stimm- und Wahlverhalten oder die regionale Parteienstruktur.

Schätzgenauigkeit von +/-1.3 Prozentpunkten

Durch die Gewichtung wird eine hohe Repräsentativität für die aktive Stimmbevölkerung erzielt. Der Stichprobenfehler, wie er für Zufallsstichproben berechnet wird, lässt sich nicht direkt auf politisch gewichtete Opt-in-Umfragen übertragen. Die Repräsentativität dieser Befragung ist jedoch vergleichbar mit einer Zufallsstichprobe mit einem Stichprobenfehler von +/-1.3 Prozentpunkten.

Info3, 26.10.2022, 17 Uhr ; 

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