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St. Galler in Russland Reisebericht: «Wolfsjagd war reine Vergnügungsreise»

Erlebnis statt Erkenntnisse für zwei St. Galler Verwaltungsangestellte auf Wolfsjagd. Und dies auch auf Kosten des Kantons. Nun liegt der Bericht vor.

Die Reise eines St. Galler Amtsleiters und eines St. Galler Wildhüters gibt zu reden. Sie haben zusammen an einer organisierten Wolfsjagd in Russland teilgenommen. Regierungsrat Beat Tinner hatte ihnen dafür je fünf Arbeitstage bewilligt. Die Reise haben sie selbst bezahlt.

SRF liegt jetzt der beim zuständigen Departement eingeforderte Bericht zur Reise vor.

«Diese Reise wäre nicht nötig gewesen», kommentiert der Geschäftsführer der Gruppe Wolf Schweiz, David Gerke, den Bericht. «Für mich war das eine privat motivierte Jagdreise und keine Studienreise.» Die Erkenntnisse, die daraus gezogen wurden, hätten nichts mit einer Studie oder Forschung zu tun.

Kanton erhoffte sich Erkenntnisse im Umgang mit dem Wolf

Aber genau dies hatte sich der Kanton St. Gallen von dieser Reise erhofft: neue Erkenntnisse im Umgang mit dem Wolf. Der zuständige Regierungsrat Beat Tinner äussert sich aktuell nicht mehr dazu. Als SRF im März das erste Mal über die Jagdreise nach Russland berichtet hatte, erklärte er: «Wir erachten es als sinnvoll, Jagdansätze in anderen Ländern zu prüfen, die wir in der Schweiz nicht anwenden.»

Der elfseitige Bericht zeigt, wohin die Reise führte: nach Udmurtien, 1000 Kilometer östlich des Urals.

Die Reise wurde in einem Bericht dokumentiert

Dem Bericht ist zu entnehmen, dass der Reiseleiter, den die beiden besucht haben, früher als stellvertretender Leiter einer Jagdbehörde arbeitete. Heute organisiert er mit seiner Firma Trophäenjagden für Gäste.

Organisierte Trophäenjagd

Ein Blick auf die Homepage des Unternehmens zeigt: Eine sechstägige Lappjagd, wie sie die beiden gebucht hatten, kostet 1750 Euro. Darin sind Übernachtungen in einer Jagdhütte, Vollverpflegung, Jagdbegleitung und Präparation der Trophäen eingeschlossen. Für jeden geschossenen Wolf bezahlen die Jäger je 1100 Euro.

Der Amtsleiter und der Wildhüter haben auf ihrer Reise vier Wölfe erlegt. Ein Bild der vier toten Tiere ist ebenfalls Teil ihres Berichts. Die Felle der Wölfe seien in Russland geblieben, hatte Regierungsrat Tinner im März erklärt. Im Bericht steht dazu nichts.

Ausführlich wird der Bericht, wenn es um die Methode der Lappjagd geht, von welcher die beiden Erkenntnisse mit in die Schweiz brachten.

«Wenn am Morgen festgestellt wird, dass die Wölfe noch drin sind, werden von aussen her am Rand der Lappstadt in absoluter Ruhe die Schützen angestellt. Weil meist aufziehende Wölfe in Bewegung auf relativ kurze Distanz geschossen werden, nutzen die Russen Flinten mit Schrotgrösse 6.5 bis 8.5 Millimeter, Schussdistanz bis 50 Meter. Die grösste Kunst ist jedoch das Treiben. Es gehen zwei bis drei Treiber mit Skiern in die Lappstadt rein.» (Auszug aus Bericht)

Die Wölfe werden von den Jägern umzingelt
Legende: Die Wölfe werden während der Treibjagd von den Jägern umzingelt. Bericht «Wolfsmanagement in Russland» St. Gallen

Für Gerke von der Gruppe Wolf Schweiz hat der Bericht zu wenig wissenschaftliche Qualität. Er, wie auch andere Experten, die namentlich nicht auftreten möchten, sagen: Fragestellungen fehlten genauso wie Angaben zur Effizienz, zum Zustand der Wölfe oder Protokolle der Gespräche, die geführt wurden. Mit Wissenschaftlern sei gar nicht erst gesprochen worden.

Für die wenigen Erkenntnisse hätten die beiden nicht nach Russland reisen müssen.
Autor: David Gerke Geschäftsführer Gruppe Wolf Schweiz

Dafür hätten die beiden nicht nach Russland reisen müssen, sagt der Wolfsexperte. «Jagden in diesem Gebiet sind keine Regulierungsjagden, sondern Trophäenjagden».

Regierungsrat Tinner verteidigte die Reise von Beginn weg: «Mir ist es lieber, wenn Amtsleiter und Mitarbeitende sich weiterbilden und engagieren, als jemand, der aus lauter Angst nichts mehr macht.»

Regionaljournal Ostschweiz, 18.04.2024, 06:31 Uhr

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