Ein verändertes Mobilitätsverhalten der Bevölkerung fordert von der Politik eine zukunftsgerichtete Verkehrsentwicklung. Zwischen Meinungsverschiedenheiten in einzelnen Projekten und ideologischen Standpunkten köchelt eine Verkehrsdebatte.
Ein aktuelles Beispiel gibt es aus St. Gallen. Dort wollen Bund und Kanton mit viel Geld, mehr Tunnelröhren und einem neuen Zubringer einen Abschnitt der A1 durch die Stadt entlasten. Doch ein wichtiger Player in den Diskussionen sträubt sich dagegen: die links-grün dominierte Stadt.
Das umstrittene Projekt näher erklärt
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Die sogenannte Engpassbeseitigung St. Gallen, wie das Gesamtprojekt offiziell heisst, besteht aus drei Teilprojekten. Beteiligt am ganzen Projekt sind das Bundesamt für Strassen (Astra), die Kantone St. Gallen und Appenzell Ausserrhoden, die Stadt St. Gallen und die Gemeinde Teufen (AR). Die Kosten belaufen sich total auf geschätzt 1.3 Milliarden Franken.
Der Zubringer Güterbahnhof
Auf dem Areal des Güterbahnhofs mitten in der Stadt befindet sich momentan ein soziokulturelles Zentrum, nachdem es vorher jahrelang brach gelegen ist. Dort ist eine Teilspange vorgesehen. Das heisst: ein unterirdischer Zubringer von der A1 von Zürich ins Stadtzentrum. Zudem soll mit einem weiteren Tunnel in Richtung Appenzell der Weg vom Alpstein auf die Autobahn verkürzt werden.
Dritte Röhre Rosenberg
Zwischen St. Gallen Kreuzbleiche und St. Gallen St. Fiden gibt es den Rosenbergtunnel, der momentan mit zwei Röhren einen beträchtlichen Teil der Stadtautobahn bildet. Eine dritte Röhre ist laut Astra notwendig für die Sanierung der bestehenden Röhren sowie ein zentrales Element der Engpassbeseitigung.
Unterhaltsplanung
Hierbei geht es um eine Instandsetzung eines Autobahnabschnitts zwischen dem ehemaligen Rastplatz Moosmüli und St. Gallen Neudorf. Ein zentraler Bestandteil ist die Sanierung der beiden bestehenden Tunnelröhren Rosenberg sowie der Einrichtung einer permanenten Pannenstreifenumnutzung auf einem Abschnitt, heisst es beim Astra.
Das Stadtparlament errang letzten November einen Teilerfolg: Ein Vorstoss der SP, der GLP und der Grünen verlangte vom Stadtrat, sich zurückzuziehen und dem Bund sowie dem Kanton klarzumachen, dass die Stadt gar keinen Autobahnzubringer wolle. Das Postulat wurde gutgeheissen.
In Bern sind die Meinungen anders: Die Engpassbeseitigung St. Gallen gehört mit ihrem Projektumfang zu den grössten Projekten im Nationalstrassen-Ausbauschritt 2023. Heute hat nach dem National- auch der Ständerat dem ganzen Paket zugestimmt. Gut möglich, dass der fünf Milliarden schwere Ausbauschritt noch an die Urne kommt. Grüne und SP haben bereits ein Referendum angekündigt.
In St. Gallen versuchen derweil linke Politikerinnen und Politiker, auch im Kantonsrat gegen das geplante Projekt vorzugehen. Während der laufenden Debatte kochte das Thema einmal mehr hoch.
In einem Antrag forderte die SP am Vormittag, dass die Projektierungskosten über fünf Millionen Franken für den Zubringer Güterbahnhof aus dem aktuellen Strassenbauprogramm gestrichen werden. Erfolglos. Unterstützung gab es nur von den Grünen, die GLP enthielt sich. So lehnte der St. Galler Kantonsrat den Antrag mit 24 Ja- zu 82 Nein-Stimmen ab.
Der Streichungsantrag löste einmal mehr eine Grundsatzdebatte aus über Sinn und Unsinn eines zusätzlichen Autobahnanschlusses. SP-Kantonsrätin Susanne Schmid sagt: «Dieser Lösungsansatz ist einer aus dem letzten Jahrhundert. Moderne Verkehrslösungsansätze setzen auf die Mobilität der Zukunft, nämlich ÖV, Fuss- und Veloverkehr. Jeder Ausbau von Strassen führt zu Mehrverkehr.»
Isabel Schorrer von der FDP entgegnet: «Wird die Engpassbeseitigung nicht realisiert, droht – zumindest Teilen der Stadt – der definitive Verkehrskollaps. Zudem bezahlt der Bund vier Fünftel des Gesamtprojekts. Das ist eine Riesenchance, ein gravierendes regionales Verkehrsproblem mit hoher finanzieller Unterstützung des Bundes zu finanzieren.»
So könnte es in Zukunft weitergehen
Die St. Galler Regierung kann nun weiter planen, so wie es auch der Bund vom Kanton verlangt. Sobald das Projekt steht, wird es dem Stadtrat überwiesen. Das ausgearbeitete Projekt kommt dann ins Parlament, wo die links-grüne Mehrheit mit hoher Wahrscheinlichkeit das Ratsreferendum ergreifen wird.
Kommt dieses zustande, müsste die Stadtbevölkerung erneut über den Autobahnanschluss abstimmen. Gäbe es da ein Nein, hätte der Bund theoretisch nach wie vor die Möglichkeit, sein Nationalstrassen-Projekt durchzuboxen. Das hat der Bund allerdings noch nie getan, wenn eine Standortgemeinde dagegen war.
Faktisches Verbot für Tempo 30
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Die Mehrheit des St. Galler Kantonsrats hat am Mittwoch in der Septembersession im Rahmen des 18. Strassenbauprogramms sowie mit einer Motion ein faktisches Verbot künftiger Tempo-30-Zonen auf Kantonsstrassen sowie auf Gemeindestrassen erster Klasse beschlossen.
Nur aus Sicherheitsgründen soll künftig Tempo 30 «ausnahmsweise möglich» sein. Lärmsanierungen müssten durch raumplanerische Massnahmen sowie den Einbau lärmarmer Beläge erfolgen.
Rechtliche Einwände
Gleich nach dem Strassenbauprogramm entschied der Rat über eine Motion – ebenfalls zum Thema Tempo 30. Verlangt wurde eine Änderung im St. Galler Strassenverkehrsgesetz.
Alle Kantonsstrassen und Gemeindestrassen erster Klasse sollten demnach als «verkehrsorientierte Strassen» definiert werden. Dort müsse «grundsätzlich die bundesrechtlich vorgesehene Höchstgeschwindigkeit» signalisiert werden. Die Regierung entgegnete, die Motion verstosse «mutmasslich gegen übergeordnetes Bundesrecht». (sda)
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