Die Aufregung war gross, als die Stadtkanzlei Bern vor zwei Monaten bekannt gab, sie habe rund 1600 Unterschriften für die Mindestlohn-Initiative verloren. Doch nun sind sie wieder aufgetaucht.
Im Büromaterialschrank abgelegt
Doch von vorne: Mitte Juli wurde der Stadt Bern eine eingeschriebene Postsendung mit unterzeichneten Unterschriftenbögen für die Mindestlohn-Initiative zugestellt und quittiert. Die Sendung sei danach jedoch nie bei der intern zuständigen Stelle eingegangen, welche die Unterschriften kontrolliert, teilte die Stadt Bern Anfang September mit. Daraufhin erstattete das Initiativkomitee Anzeige gegen Unbekannt.
Nun sind sie also wieder da, die fehlenden Unterschriften. Was genau ist passiert? Stadtschreiberin Claudia Mannhart erklärt: «Wir erhielten ein kartoniertes A4-Paket, darin war eine Schachtel, die üblicherweise Büromaterial erhält – darum wurde diese bei uns in den Büromaterialschrank gelegt.»
Mannhart spricht von einer «Verkettung sehr unglücklicher Umstände», räumt jedoch ein: «Ich bedaure diesen Vorfall sehr und wir werden unsere Abläufe aufgrund dessen überprüfen.» Für die Zukunft rät sie Initiantinnen und Initianten, ihre Sendungen stets mit einem Begleitschreiben zu versehen.
Verzicht auf Strafanzeige
Das Initiativkomitee zeigte sich ob des Auftauchens der Unterschriften erfreut.
Die Verkettung der Umstände ist so unglücklich, dass man eine solche Geschichte gar nicht erfinden kann.
«Wir haben uns entschieden, diese Geschichte zu glauben», sagt Jacob Rohde vom Gewerkschaftsbund Stadt Bern und Umgebung. «Die Verkettung der Umstände ist so unglücklich, dass man eine solche Geschichte gar nicht erfinden kann.»
An weiteren Einzelheiten zu den Versäumnissen sei er jedoch nicht interessiert, sagt Rhode. «Fakt ist: Wenn ein eingeschriebenes Paket bei einer Behörde eingeht, dann gehört dieses geöffnet.»
Das Initiativkomitee werde auf die angekündigte Strafanzeige verzichten, da kriminelles Verhalten nun ausgeschlossen werden könne.
Die Mindestlohn-Initiative verlangt, dass in Bern künftig niemand mehr weniger als 23.80 Franken pro Stunde verdienen soll. Für das Zustandekommen einer Initiative in der Stadt Bern braucht es insgesamt 5000 gültige Unterschriften. Die Unterschriften sollen am 28. Oktober wie geplant eingereicht werden.