Ausgleichen, Minderheiten Sorge tragen: Das wurde Konrad Graber quasi in die Wiege gelegt. Der CVP-Ständerat erzählt von einer Art politischem Erweckungserlebnis. Was sein Vater, auch er ein CVP-Mann, in einer FDP-Gemeinde erleben musste: «Er wuchs mit sechs Brüdern auf und kam in eine liberale Gemeinde. Man wollte ihm einen Bauernhof nicht verkaufen, weil man sich vor sieben CVP-Stimmen fürchtete.»
Als CVP-Familie, minorisiert in einem FDP-Umfeld: Das habe ihn geprägt. Vielleicht auch deshalb sucht Graber den Ausgleich. Bei der Rentenreform, die das Stimmvolk ablehnte, schnürte der 60-Jährige an einem Paket mit, das 70 Franken mehr AHV vorsah.
Er ist ein sehr starker Politiker, der zielorientiert arbeitet und grossen Gestaltungswillen hat – auch wenn er die Öffentlichkeit eher scheut.
Die Verknüpfung von Unternehmenssteuerreform und zwei Zusatzmilliarden für die AHV prägte er zuvorderst mit. Für die Linke machte er schwer verdauliche Kost so bekömmlicher. SP-Präsident Christian Levrat sagt über Graber: «Er ist ein sehr starker Politiker, der zielorientiert arbeitet und grossen Gestaltungswillen hat – auch wenn er die Öffentlichkeit eher scheut.»
Graber ist unaufgeregt und arbeitet im Hintergrund. Das ist was zählt, und das macht ihn aus.
Von Graber habe er lernen können, sagt sein Luzerner Standeskollege, der 34-jährige FDP-Ständerat Damian Müller. Er wisse, wo die Fäden im Bundeshaus zusammenliefen: «Er ist unaufgeregt, arbeitet im Hintergrund. Das ist was zählt, und das macht ihn aus.»
Graber: der stille Schaffer. So still, dass er im Vergleich zu den grelleren Figuren im Bundeshaus manchmal geradezu trocken wirkt. Auch das machte ihn letzten Sommer zu einem der Favoriten in der CVP als möglicher Bundesrat. Bis er den Spekulationen ein Ende setzte, indem er seinen Rücktritt aus der Politik ankündigte.
Graber selber sagt: «Klamauk ist nicht meine Sache. Wir sind gewählt, um Lösungen zu finden.» Beim Steuer-AHV-Paket vermische Graber aber Dinge, die nicht zusammengehörten, werfen ihm seine Kritiker vor. Der ausgebildete Mediator erklärt, er vergrössere die Verhandlungsmasse: «Wenn man sieht, dass man mit Einzelmassnahmen nicht weiterkommt, muss man den Kuchen grösser machen – nicht nur finanziell.»
Der Ständerat reagiert damit auf Kritiker von rechts, die ihm vorwerfen: ‹Wenn Graber grosse Kuchen backe, werde es teuer.› Graber erinnert: Zur Rentenreform hätten nicht nur 70 Franken mehr AHV gehört, sondern auch ein höheres Rentenalter für die Frauen. Was das Steuer-AHV-Paket angehe: Zusatzmilliarden für die AHV brauche es sowieso.
Graber steht für die Interessen der Wirtschaft ein – als Verwaltungsrat einer grossen Wirtschaftsprüfungs- und Treuhandgesellschaft und als Präsident beim Milchkonzern Emmi. Letzteres bringt ihm gemäss aktuellem Vergütungsbericht 270'000 Franken pro Jahr ein.
Kritische Einwände nach seiner Unabhängigkeit pariert Graber routiniert mit dem Verweis aufs Milizsystem: Schweizer Politiker gingen in der Regel einem Beruf nach. Zu bedauern sei eher das Gegenteil: dass es immer mehr Berufspolitiker gebe.
Ein Ständerat muss schauen, dass er nicht ein kleiner Nationalrat wird.
Ohnehin freut er sich nicht über alle Veränderungen, wenn er seine zwölf Jahre im Rat Revue passieren lässt: «Am Anfang ging es viel stärker um die Sache als heute. Ein Ständerat muss schauen, dass er nicht ein kleiner Nationalrat wird. Es wird auch in der kleinen Kammer politischer.»
Graber wird bald als Zuschauer verfolgen, wie es weitergeht. Mit Wehmut, wie er sagt. Aber nun sei die nächste Generation dran. Er will kein Sesselkleber sein: «Selbstverständlich hätte ich noch vier Jahre anhängen können. Der Mehrwert wäre aber klein – für mich und das Land.»