Jedes Jahr um diese Zeit spielt sich am Schaffhauser Hochrhein ein spezielles Ritual ab: All die glücklichen Besitzerinnen und Besitzer eines Weidlings läuten die Rheinsaison ein. An den Ufern machen sie ihre traditionellen Holzboote fürs Wasser parat, was zeitweise fast an ein Volksfest erinnert. Gemeinsam wird gewerkelt.
«Hier sagen sich alle, jeder hilft jedem», stellt Fredi klar. Er gehört zu jenen, die ihr Boot in der Laag bei Dörflingen einwassern. Rund 50 Weidlinge und andere Holzboote sind auf der Badiwiese säuberlich aufgereiht. Den Winter über waren sie trocken in der dortigen Scheune der Bauernfamilie eingelagert.
Bevor die Boote in den Rhein «geworfen» werden, wie die Hobby-Kapitäne salopp sagen, gibt es allerdings viel zu tun. «Abschleifen, Risse stopfen, lackieren», zählt Kuno die Arbeiten auf. «Was nötig ist, hängt ganz vom Zustand des Weidlings ab.» Er selbst besitzt ein 15-jähriges Boot, welches schon zu den älteren gehört. In der Regel halten die fast neun Meter langen, schmalen Flachboote maximal 20 Jahre.
Zuerst saufen die Boote ab
Die Lebensdauer hängt stark davon ab, wie gut die Weidlinge gepflegt werden. Mit jedem Jahr aber wird der Aufwand im Frühling grösser. «Hier müssen wir gleich ein ganzes Brett auswechseln», sagt Kuno und zeigt auf den Boden seines Weidlings. «Und in der Bordwand finden sich Risse, die wir mit Fasstalg oder Schnüren füllen, um das Boot wieder dicht und schwimmtauglich zu machen.»
Ein traditioneller Weidling mit genagelten Brettern säuft allerdings zuerst ab, wenn er nach dem Winterlager ins Wasser kommt. Das Holz und die Schnüre müssen nämlich aufquellen, damit das Boot dicht wird. Dies dauert ein paar Tage. Erst dann schöpfen die Besitzerinnen und Besitzer das Wasser kesselweise aus dem am Ufer angebundenen Boot.
Das monatelange Warten lohnt sich
Jetzt beim Einwassern helfen sich die Bootsliebhaber gegenseitig mit Rat und Tat. Es wird gefachsimpelt, man klopft faule Sprüche und trinkt zwischendurch ein Bier zusammen. Gemeinsame Muskelkraft und gute Koordination sind jeweils gefragt, um die Boote an Land auf die Seite zu kippen.
Nötig ist dieser Kraftakt, um die Grundierfarbe gegen das Faulen auf der Unterseite des Bootes sauber aufzutragen. Und nochmals mehrere Hände helfen auch mit, die Boote schliesslich in den Rhein zu bugsieren. Das passiert mit Holzrollen auf dem flachen Kiesufer und mit viel Anlauf.
Diesen Moment habe ich schon seit letztem Herbst herbeigesehnt.
Freizeitkapitänin Susanne hat es bereits geschafft. Ihr Boot ist im Wasser. Und es schwimmt auf Anhieb, da es sich um eine Zille handelt – ein moderneres und etwas breiteres Boot. Im Gegensatz zu den alten Weidlingen ist es geleimt und muss nicht erst im Wasser einquellen. «Diesen Moment habe ich schon seit letztem Herbst herbeigesehnt», sagt Susanne und lacht. Endlich könne die Rheinsaison starten.