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Stau im Bündner Reiseverkehr «Skigebiete abschaffen geht nicht – es gibt aber Optionen»

Die Blechlawinen durch das Prättigau geben im Kanton Graubünden zu reden. An schönen Winterwochenenden staut sich der Verkehr zwischen Landquart und Davos über Kilometer. Und auch auf der A13 gibt es immer wieder Staus. Gemeinden, Kanton und Bund wollen miteinander eine Lösung finden.

Im Bündner Grossen Rat wurden in der Fragestunde mehrere Fragen zum Thema eingereicht. Was gäbe es für Lösungen, machbare und utopische, das wollte das Regionaljournal Graubünden vom Verkehrsplaner Kay Axhausen wissen. Er forscht seit 20 Jahren an der ETH in diesem Gebiet.

Kay Axhausen

Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich

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Das Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) der ETH Zürich befasst sich mit Verkehrsplanung, Raumplanung, Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft, sowie mit Transporttechnik.

SRF News: Was müsste man machen, um den Rückstau aus den Bergen und den Ferien zu vermeiden oder wenigstens einzudämmen?

Kay Axhausen: Wenn man sozusagen an der Quelle anfangen würde, sollte man die Skigebiete abschaffen. Aber das geht ja nicht. Das ist nicht Sinn und Zweck der Sache. Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Eine hier natürliche und offensichtliche Lösung wäre die Bepreisung der Fahrten in den Stauzeiten.

Wie würde das dann konkret aussehen?

Eine solche Staumaut – also eine Maut, die erhoben wird, bevor der Stau entsteht – kann auf verschiedenste Art und Weise erhoben werden. Bei einer lokalen Maut fährt man beispielsweise unter einem Schild durch. Man muss ein entsprechendes Gerät im Auto haben, welche die Maut erfasst.

Es gibt verschiedene technische Möglichkeiten für eine Maut.

Oder man kann das heute auch über Apps machen. Da gibt es technisch verschiedene Möglichkeiten. Es geht auch analog, so wie das bei der Lkw-Maut passiert.

Würde das bedeuten, dass alle Leute, die am Sonntagabend von Davos oder vom Engadin zurück nach Zürich fahren, zehn Franken zahlen müssten, um durchs Prättigau zu fahren?

Ja, die Leute welche zur Stosszeit fahren, müssten zahlen. Wie viel müsste man ausprobieren. Durch diese Gebühr wird signalisiert, dass die Leute entweder etwas später oder früher fahren sollen oder im Zeitalter von Heimarbeit vielleicht auch erst am Montagmorgen.

Diese Art von Kontingentierung wurde in der Schweiz schon öfter diskutiert. Trotzdem ist die Idee eine Idee geblieben. Was bräuchte es, um so etwas überhaupt umzusetzen?

Die Verfassung müsste geändert werden oder es müssten in der Gesetzgebung Ausnahmen festgeschrieben werden, wie zum Beispiel für die Lkw-Maut.

Die Schweiz hatte früher Strassengebühren

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In der Schweiz wurden im 19. Jahrhundert Strassengebühren abgeschafft. Sie waren bei vielen Strassen und Brücken üblich. Die Staatsgründer wollten im Prinzip die Schweiz zu einem einheitlichen Wirtschaftsraum machen und deshalb mussten diese Mauten fallen. Heute ist es ein ganz anderes Thema. «Es geht ja nicht mehr darum, dass im Prinzip Zölle erhoben werden, sondern es geht darum, die Nachfrage zu regeln», so Kay Axhausen.

Schauen wir Möglichkeiten an, die man vielleicht schneller umsetzen könnte, wo es nicht gleich eine Verfassungsänderung bräuchte. Was wäre da noch möglich?

Man könnte verbesserte Busverbindungen anbieten, die direkt aus den Skigebieten in Ballungszentren wie Zürich fahren. Man könnte Fahrgemeinschaften fördern . Man könnte bessere Angebote machen, um das Gepäck zu transportieren , damit die Menschen dann eben auch mit dem öffentlichen Verkehr fahren könnten. Und man könnte in den Hotels die Angebote verbessern , dass die Leute eben bis Montag oder bis Dienstag bleiben. So, dass der Rückreiseverkehr verteilt würde.

Bauliche Massnahmen sind auch immer wieder ein Thema. Zum Beispiel spricht man auf der A13 darüber, die Nadelöhre auszubauen, also mehrspurig zu machen, wo man heute zwei Spuren hat. Sind bauliche Massnahmen eine Möglichkeit oder ein Rezept?

Nun, die baulichen Massnahmen kostet heutzutage relativ viel Geld, weil die Ansprüche der Anwohner entsprechend hoch sind. Es geht dann immer um Tunnellösungen oder ähnliches. Wir müssen uns fragen, wie gross der Nutzen solcher Lösungen ist oder ob sie über das ganze Jahr hinweg betrachtet, vielleicht sogar kontraproduktiv sind.

Bauliche Massnahmen sind möglicherweise eher kontraproduktiv.

Mehr Spuren helfen an jenen Tagen, an denen es diese Staus gibt. Aber während des Rests des Jahres laden sie dazu ein, Auto zu fahren, weil die Kapazitäten erhöht sind und die Reisezeit dadurch kürzer wird. Das wissen wir aus vielen Studien. Und das ist im Zeitalter der Klimaerwärmung eigentlich nicht das, was man gesamtgesellschaftlich möchte.

Das Gespräch führte Sara Hauschild.

Regionaljournal Graubünden, 15.02.2022, 17:30 Uhr

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