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Unispitäler warnen vor finanziellem Kollaps
Aus 10 vor 10 vom 23.05.2023.
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Steigende Verluste Unispitäler warnen vor Kollaps in der Gesundheitsversorgung

Die Rede ist von bis zu 300 Millionen Franken Verlust. Ändere sich nichts, drohe ein Leistungsabfall. Wer ist in der Verantwortung?

Die fünf Schweizer Unispitäler schlagen Alarm. Sie schreiben hohe Verluste, wie sie am Dienstag an einer Medienkonferenz offengelegt haben.

Im letzten Jahr verzeichneten die Unispitäler insgesamt minus 200 Millionen Franken. Für 2023 wird mit einem Verlust von bis zu 300 Millionen Franken gerechnet. Die aktuellen Tarife würden die Kosten schlichtweg nicht decken.

«Uns steht sprichwörtlich das Wasser bis zum Hals», sagt Uwe E. Jocham, Chef der Insel Gruppe Bern, gegenüber SRF. Und das in einer Phase, wo die Spitäler die Investitionen in die Zukunft komplett selber tragen müssten. Durch den zusätzlichen Personalmangel befinde man sich somit in einer «brenzligen Situation».

Arbeitsmarktlage verschärft Situation

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Die Unispitäler klagen, dass mangels Personal nicht mehr alle Betten betrieben werden könnten. Dieser Mangel an qualifiziertem Personal sei seit einigen Jahren spürbar und durch die Coronapandemie, die demografische Entwicklung und veränderte Anforderungen an das Arbeitsumfeld noch verschärft worden.

«Die Arbeitsmarktsituation ist für uns ausgesprochen fordernd», sagte Gregor Zünd, Geschäftsführer des Universitätsspitals Zürich. Die Spitäler hätten bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Arbeits- und Anstellungsbedingungen weiter zu verbessern. Die meisten dieser Massnahmen würden jedoch zugleich die Personalkosten erhöhen und somit die Spitalfinanzen zusätzlich belasten.

Die Unispitäler betonen ihre Bedeutung für das Gesundheitssystem: Sie forschten, bildeten aus, erbrächten eine breite Palette von Leistungen für die Allgemeinheit. Und das bedeute zusätzliche Kosten.

Unispitäler fordern kostendeckende Tarife

Diese Sonderrolle der Universitätsspitäler soll bei der laufenden Revision der Verordnung über die Krankenversicherung berücksichtigt werden. «Ansonsten ist die Erfüllung der Leistungsaufträge unserer Spitäler in akuter Gefahr», so Jocham.

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Der Direktionspräsident der Insel Gruppe Bern spricht von drohendem Kollaps
Aus News-Clip vom 23.05.2023.
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Tarife erhöhen – das ist die Forderung der Unispitäler in der aktuellen Lage und nach Jahren der Preisreduktionen. Denn ohne Kostendeckung seien sie gezwungen, die bestehenden Tarifverträge per Ende 2023 flächendeckend zu kündigen.

Die Schweizer Unispitäler in Zahlen

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Legende: Eine Pflegefachfrau überprüft die Infusionsflaschen eines Patienten in der Abteilung für Neurochirurgie des Inselspitals, dem Universitätsspital Bern. KEYSTONE/Gaetan Bally
  • 24 Prozent des Spitalpersonals der Schweiz arbeiten an den fünf Universitätsspitälern. Dies entspricht 38’500 Vollzeitstellen.
  • Die fünf Universitätsspitäler betreuen etwa 210’000 stationäre Patientinnen und Patienten, was rund 16.5 Prozent aller Spitalbehandlungen pro Jahr entspricht.
  • 22 Prozent aller Behandlungsfälle in anerkannten Intensivstationen werden an den Universitätsspitälern erbracht.
  • Laut dem Verband Universitäre Medizin Schweiz (unimedsuisse) machen seit 2019 rund 1100 Medizinerinnen und Mediziner pro Jahr ihren Abschluss. Eine Erhöhung auf rund 1300 Abschlüsse pro Jahr ist geplant.
  • An den fünf medizinischen Fakultäten der Universitäten Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich sind insgesamt 821 Professorinnen und Professoren der Human- und Zahnmedizin in Lehre und Forschung tätig.

Krankenversicherer befürchten unzumutbare Prämienerhöhung

Beim Krankenkassenverband Santésuisse erkennt man die besonderen Leistungen der Unispitäler zwar an, aber von höheren Tarifen will man aktuell nichts wissen. Direktorin Verena Nold betont: «Alleine in diesem Jahr sind die Gesundheitskosten aktuell schon um fast sieben Prozent gestiegen.»

Diese Kosten müssen die Prämienzahlenden übernehmen, eine massive Prämienerhöhung ist also absehbar. «Wenn man dann zusätzlich noch flächendeckend höhere Tarife für die Universitätsspitäler zahlen muss, wäre das für die Prämienzahler nicht zumutbar», sagt Nold.

Seitens der Unispitäler steht fest: Falls es keine Tariferhöhungen gibt, sollen die Kantone ihnen finanziell unter die Arme greifen.

Kantone halten sich zurück

Lukas Engelberger sieht das ein wenig anders. Für den Präsidenten der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren ist klar, dass man trotzdem bei den Tarifen ansetzen muss. «Das Gesetz sieht vor, dass Spitalbehandlungen, wenn sie effizient und qualitativ hochstehend erbracht werden, auch kostendeckend abgegolten werden müssen.»

Natürlich wären Preiserhöhungen unangenehm, so Engelberger. Allerdings könne man höhere Tarife im Sinne des Versorgungsauftrags nicht verweigern.

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Lukas Engelberger zur Sicherstellung der Versorgung
Aus News-Clip vom 23.05.2023.
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Engelberger warnt: «Ein Rettungsschirm durch die Kantone wäre nicht fair. Das würde heissen, dass einige wenige Kantone, die diese grossen Spitäler haben, die Finanzprobleme im Gesundheitswesen lösen müssten.»

Weitere Spitäler kämpfen mit Geldproblemen

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Neben den Unispitälern kämpfen auch andere Schweizer Spitäler mit Geldsorgen:

  • Das Kantonsspital Freiburg rechnet im Budget für das Jahr 2023 mit einem Verlust von fast 28 Millionen Franken. 
  • Ähnlich sieht es beim Kantonsspital St. Gallen aus: Dort weist man ein Defizit von 23 Millionen Franken aus.
  • Hoher Druck auf das Personal und die Finanzen auch in Solothurn: Die Solothurner Spitäler AG rechnet für dieses Jahr mit einem Defizit von 13 Millionen Franken.
  • Und dem Kantonsspital Aarau wurden vom Aargauer Parlament 240 Millionen Franken gesprochen. Das grösste Spital im Mittelland sei auf die Finanzspritze angewiesen, sonst hätte der Konkurs gedroht.

Muss womöglich bei den Leistungen gekürzt werden? Engelberger meint, dass Kürzungen politisch nicht akzeptiert würden. «Aber allenfalls sind Leistungsverschiebungen denkbar, also, dass man Aufgaben unter den Spitälern anders aufteilt.» Das alleine würde die Finanzprobleme jedoch nicht lösen.

Universitätsspitäler, Krankenkassen und Kantone: Ihre Positionen liegen noch weit auseinander. Bis zu einer Lösung dürfte noch hart gerungen werden.

Tagesschau, 23.05.2023, 12:45 Uhr

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