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Streit am Grill Darf man Tiere essen?

Bratwurst, Erbsenburger, Maiskolben – oder eine selbsterlegte Kuh. Was auf den Grill kommt, erhitzt die Gemüter.

«Ich esse kein Fleisch, weil Tiere dafür umgebracht werden müssen», sagt Ivana Sabo, die auch schon an einer Schweinestall-Besetzung mit anderen TierschützerInnen dabei war. Die junge Frau ernährt sich konsequent vegan. Denn dass Tiere getötet werden müssen für den Grillspass, verdirbt ihr den Appetit. Beim Grillieren geht es aber um mehr als den Appetit, ist Grillmeister Freddy Camerer überzeugt: Grillieren sei ein Lebensgefühl, ein gutes Stück Fleisch gehöre dazu: «Man grilliert im Garten, trinkt mit den Nachbarn ein Bier und zelebriert dieses Lebensgefühl.»

Fast alle essen Fleisch

Herr und Frau Schweizer lieben Fleisch: 2021 assen sie noch mehr Fleisch als im Vorjahr, 52 Kilogramm pro Kopf und pro Jahr. Auch wenn die Ernährungskommission des Bundes rät, weniger Fleisch zu konsumieren, essen 94 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer regelmässig Fleisch – am liebsten Schweinefleisch. «Fleisch gehört einfach auf den Schweizer Menüplan», stellt Schweinezüchter Meinrad Pfister fest.

Und wie steht es um das Tierwohl? «Wir haben den grössten Anteil an Labels und das strengste Tierschutzgesetz», betont der Zentralpräsident von Suisseporcs. «Was interessieren die Tiere in den Ställen das Tierschutzgesetz?» regt sich Landwirtin Sarah Heiligentag auf, denn auch das beste Tierschutzgesetz könne die Bedürfnisse eines Tieres nicht erfüllen. Auf dem Lebehof von Sarah Heiligentag müssen die Tiere keinen bestimmten Nutzen erfüllen und enden nicht im Schlachthaus. An den öffentlichen Grillabenden auf dem Hof der Tierethikerin kommt nur Veganes auf den Rost. Verzicht zugunsten des Tierwohls.

Fleischkonsum schadet dem Klima

Auf Fleisch verzichten kann man auch für das Klima. Verschiedene Studien, u.a. von der UNO-Landwirtschaftsorganisation, stellen fest: Landwirtschaft und Lebensmittelprodukte sind für bis zu 30 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Vor allem tierische Produkte haben eine schlechte Klimabilanz. Inzwischen gibt es viele Ersatzprodukte. Coop zum Beispiel führt 1600 vegetarische und vegane Lebensmittel, darunter auch Fleischersatzprodukte.

Der bekannteste Schweizer Fleischersatz ist «Planted». Das junge Unternehmen stellt Poulet aus Erbsen her. So kann man auf Fleisch verzichten, nicht aber auf die wichtigen Proteine und: «Im Schnitt sind Fleischersatzprodukte nachhaltiger. Planted-Produkte haben den besseren Fussabdruck als das entsprechende Fleischstück», sagt Mitgründer und Lebensmittelingenieur Lukas Böni.

Cervelat aus Erbsen

Essen und Ernährung sind in dem Menschen tief verwurzelt. Eine Umstellung, zum Beispiel weg vom Fleisch, kann Generationen dauern. Und der Marktanteil von Proteinersatzprodukten ist noch klein. Er liegt global bei 2 Prozent. Lukas Böni von Planted bleibt dran: «Die Cervelat ist die grösste Herausforderung. Wenn die Schweizerinnen und Schweizer Ja sagen zu unserem Planted-Cervelat, haben wir es geschafft!»

Weidetötung

Für Nils Müller klingt das nicht nachhaltig und auch nicht nach Ernährungswende. Der Biobauer plädiert für den Mittelweg: Weniger Fleisch, dafür gutes Fleisch. Also zurück zum Sonntagsbraten: «Neulich habe ich von unserer Aida grilliert. Das war eine zwölfjährige Mutterkuh, die ich selbst erlegt habe.» Der Biobauer tötet seine Kühe selber auf der Weide durch Kopfschuss. Er appelliert, das Töten nicht an eine gesichtslose Industrie auszulagern. Müller ist überzeugt: «Wir müssen zurück zu einer natürlichen Kreislaufwirtschaft.» Darin sieht der Biobauer schlussendlich die Stellschrauben für die Welternährung.

Club, 14.06.2022, 22:25 Uhr

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