Der Bund will neue Empfehlungen zum Alkoholkonsum veröffentlichen. Dafür stützt er sich auf die Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation WHO. Diese besagen, dass bereits moderater Konsum von Alkohol gesundheitsschädlich sein kann. Doch diese Empfehlung will der Ständerat nicht einführen. Er nahm am Montag eine Motion von Benedikt Würth (Mitte/SG) an, die zu einem Marschhalt bei den neuen Empfehlungen aufruft.
Insbesondere soll der Bund die Fertigstellung der laufenden UNATI-Studie abwarten. In dieser Studie werden die Zusammenhänge zwischen Alkohol und Gesundheit untersucht. Sie läuft noch drei Jahre.
Der Bundesrat lehnt die Marschhalt-Motion ab. Er sehe keinen Grund, weshalb die Vorgaben der WHO nicht wissenschaftlich sein sollten. Die WHO verfolge keine Nulltoleranzstrategie, sondern setze sich für schadensmindernde Massnahmen ein, um den Konsum zu kontrollieren und die Risiken für die Gesundheit zu reduzieren, sagte Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider im Ständerat.
Benedikt Würth (Ständerat, die Mitte, St. Gallen) und Barbara Gysi (Nationalrätin, SP, auch St. Gallen) diskutieren in einem Gespräch bei Radio SRF über Sinn oder Unsinn einer angepassten Empfehlung. Klar ist: Empfehlung des Bundes hin oder her, tatsächlich ist jede erwachsene Person selbst dafür verantwortlich, wie viel Alkohol sie zu sich nimmt und ob überhaupt. Es geht nur um die Frage, welche Haltung der Bund in seiner Empfehlung einnehmen soll. Und daran scheiden sich die Geister.
Gesundheit oder Geschäft?
«Der Hintergrund dieser Marschhalt-Motion ist das Geschäft», sagt Barbara Gysi. Der Nationalrat habe in der laufenden Session 10 Millionen Franken für die Absatzförderung von Schweizer Wein gutgeheissen, auch der Ständerat bewilligte die Aufstockung der Hilfe für Schweizer Winzer.
Es ist ein Powerplay für mehr Absatzförderung für die Weinproduktion
Zusätzlich sei noch die Organisation Gaudium gegründet worden. «Das ist ein Powerplay für mehr Absatzförderung für die Weinproduktion», so Gysi.
Bei den Empfehlungen gehe es nicht nur darum, dass Alkohol als krebserregend bezeichnet werde, sondern auch um die gesellschaftlichen Folgen von Alkoholkonsum. «Sehr oft ist Alkoholisierung der Ausgangspunkt von häuslicher Gewalt.» Auch im Strassenverkehr wirke sich Alkoholkonsum aus. Das Parlament habe via die Empfehlung Verantwortung, die Gesellschaft aufzuklären.
Würth kontert: «Klar, wenn in einer freien Gesellschaft weniger Alkohol getrunken wird, ist dies so hinzunehmen. Aber würden Sie es lustig finden, wenn Sie ein Unternehmen haben und gleichzeitig geben die steuerfinanzierten Behörden Empfehlungen ab, die wissenschaftlich unzureichend sind?» Die Behörden müssten auch die Wissenschaft ausreichend in ihre Empfehlung einbeziehen.
Es ist absurd zu behaupten, dass jeder Tropfen Alkohol schon schädlich ist.
Denn es gebe in der Wissenschaft keinen Konsens, dass jeder Tropfen ungesund sei. Im Gegenteil, es gebe gar wissenschaftliche Studien, die ein geringeres Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen bei moderatem Alkoholkonsum nachweisen. Selbstverständlich sei übermässiger Konsum von Alkohol ein Problem, das es zu bekämpfen gelte, doch: «Es ist absurd zu behaupten, dass jeder Tropfen Alkohol schon schädlich ist.»
Ob der Bund eine neue Empfehlung abgeben wird oder die aktuelle Empfehlung bis zum Abschluss der laufenden Studie beibehalten wird, wird die Diskussion im Nationalrat zeigen.