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Streit um das blaue Gold Wem gehört das Wasser? Konflikte werden zunehmen

Die Schweiz ist sich gewohnt, dass genug Wasser vorhanden ist. Künftig wird das nicht mehr immer so sein.

Im Kanton Freiburg wird das Wasser mit Helikoptern zu den Alpkühen geflogen. Der Thurgau verbietet Wasserentnahmen aus Bächen und Flüssen. In der jurassischen Gemeinde Courtételle ist es verboten, den Rasen zu bewässern. Auch im Wasserschloss Europas wird das Wasser knapp.

Wassernot? In Bundesbern nicht zuoberst auf der Traktandenliste. Warum auch, in der wasserreichen Schweiz. Einer, der es besser weiss, ist Christoph Hugi von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). «In der Schweiz werden die Konflikte um die Nutzung des Wassers zunehmen, vor allem in heissen und trockenen Sommern, verursacht durch den Klimawandel», sagt der Spezialist für nachhaltiges Ressourcenmanagement.

Wasserkraftwerk Mühleberg BE
Legende: Einer der grössten Konflikte besteht zwischen Landwirten und den Betreibern der Wasserkraftwerke. Die Bauern wollen in Hitzeperioden möglichst viel Flusswasser haben, um die Felder zu bewässern. Die Kraftwerkbetreiber wollen gefüllte Staubecken, um im Winter die hohe Stromnachfrage befriedigen zu können. Keystone / ALESSANDRO DELLA VALLE

Schon jetzt streiten sich die Bauern um Wassernutzungsrechte, werden Konflikte rund um die Nutzung des Wassers in den Stauseen offenbar. Und argwöhnisch wird geschaut, wenn die Nachbarn im heissen Sommer ihren Pool auffüllen, während im nahen Bachbett die Fische auf dem Trockenen verenden.

Zuerst braucht es Daten, dann Massnahmen

Die Frage nach den richtigen Massnahmen – Hugi hört sie nicht zum ersten Mal. «Zuerst brauchen wir mehr Daten, ein umfassendes Verständnis für die regionalen Wasserkreisläufe im zeitlichen Verlauf und abgestimmt auf die Ziele. Erst dann können wir über die Massnahmen diskutieren», sagt er. Daten? Hierzulande weiss man doch über jeden Zentimeter des Pegelstandes des Bodensees Bescheid. Klar, so Hugi. Aber man wisse etwa wenig über das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage.

Und was tut der Bund? Der Bundesrat beauftragte die zuständigen Ämter, ein Frühwarnsystem für Trockenheit zu entwickeln – bis 2025. Zudem empfiehlt der Bundesrat den Kantonen, besser zusammenzuarbeiten und den Wasserverbrauch umfassender zu messen. «Einen Bericht dazu soll es Ende 2025 geben», sagt Carlo Scapozza, Leiter Abteilung Hydrologie beim Bundesamt für Umwelt (Bafu). Das dauert noch, und längst nicht alle Kantone befolgen die Empfehlungen des Bundes.

 «Wasser braucht ein Preisschild»

Und so wird auch diese Krise in der föderalistischen und reichen Schweiz wie seit jeher gemanagt: Wasser wird mit Helikoptern zu Alpkühen geflogen. Der Experte für Wassermanagement, Christoph Hugi, schüttelt den Kopf. Natürlich sei das keine nachhaltige Reaktion. Laut ihm müsste die politische Debatte längst im Gang sein, auch ohne Daten. «Wir brauchen für trockene Perioden Massnahmenpläne, die wir vorgängig miteinander ausgehandelt haben», sagt er. Es brauche eine Vorsorge- und Verzichtsdebatte.

Will man Wasserleitungen zur trockenen Alp bauen oder soll man die Alp aufgeben? Ab wann dürfen Pools nicht mehr gefüllt und Autos nicht mehr gewaschen werden? Wann und wie müssen sich Kantone gegenseitig mit Wasser aushelfen?

Eines ist klar: Freiwillig verzichtet kaum jemand. «Wasser braucht ein Preisschild», so Hugi. Die Nutzung von Wasser kostet in der Schweiz so gut wie nichts. Wenn der Staat ab einer gewissen Anzahl Liter pro Tag mehr fürs Wasser vom Verbrauchenden verlange, ändere sich sein Verhalten. Christoph Hugi weiss, dass dies ein heisses Eisen ist, vor allem in der Landwirtschaft. «Aber genau diese Diskussionen müssen wir führen, alle zusammen.»

10 vor 10, 29.07.2022, 21:50 Uhr

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