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Streit um Design Dreister Stoffhändler beklaut Künstlerin

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ein Schweizer Stoffhändler kupfert für ein eigenes Produkt beim Design einer Toggenburger Künstlerin ab.
  • Er behauptet, da das Design aus dem Internet kopiert und leicht verändert sei, gehöre das Motiv jetzt ihm.
  • «Kassensturz» legt Original und Kopie Experten vor. Sie sind sich einig: Der eigene künstlerische Ausdruck fehlt, die Urheberrechte der Künstlerin sind verletzt.
  • Erst jetzt will der Design-Dieb die Produktion stoppen und die Künstlerin entschädigen.

Jolanda Brändle ist Scherenschnitt-Künstlerin. Ihre Motive sind unverwechselbar und beliebt. Viele ihrer Werke lässt sie digitalisieren, bedruckt Schürzen, Etuis und alles Mögliche damit. In ihrem eigenen Laden im Toggenburg bietet sie diese Produkte feil. Alles made in Switzerland – darauf ist sie stolz.

Wissenswertes zum Thema:

Ihr ganz besonderes Schmuckstück ist ein Scherenschnitt, den sie – wie alle anderen – selber gezeichnet und in 60 Stunden Kleinstarbeit ausgeschnitten hat. Das Motiv ist der Renner und schmückt etliche Produkte. Es ist so beliebt, dass Jolanda Brändle auch ganze Stoffbahnen über das Internet vermarktet und verschiedene Nähateliers damit beliefert.

Experten sehen Urheberrechts-Verletzung

Doch dann, letzten Winter, entdeckte die Künstlerin im Internet, dass eben dieser Stoff in unzähligen Online-Shops von Stoffläden angeboten wird. Produziert werden diese Stoffe von der Firma Novitex Fashion AG in Zofingen. Diese lässt Jolanda Brändle abblitzen: «Man sagte mir, man habe einige Veränderungen vorgenommen und das Sujet gehöre jetzt Novitex.» Für die Künstlerin bedeutet das eine grosse Einbusse: «Die Firma beliefert nun natürlich die Stoffläden, mir fehlen tausende Franken an Einnahmen.»

Stoffbild auf einem Smartphone neben Originalstoff.
Legende: Der Originalstoff und das neue Design unterscheiden sich kaum. SRF

Hat Novitex das Original-Design von Jolanda Brändles Scherenschnitt wirklich so stark verändert, dass etwas neues, eigenständiges enstanden ist? SRF-Grafikdesignerin Salome Rickenbacher nimmt beide Stoffe für «Kassensturz» unter die Lupe und erkennt schnell: «Der Originalstoff wurde zum grössten Teil belassen, lediglich einzelne Details wurden ergänzt oder verändert. Darin sehe ich keinen eigenen künstlerischen Ausdruck.» Und auch bei Motiven, die nicht übereinstimmen, wird rasch klar: Sie wurden ebenfalls aus dem Internet abgekupfert, lediglich von einer anderen Scherenschnitt-Künstlerin.

Was ist geschützt?

Durch das Urheberrecht geschützt sind alle Arten von Kunstwerken, geistige Werke wie zum Beispiel Musik, literarische oder wissenschaftliche Texte, Übersetzungen, Bearbeitungen, tänzerische Choreographien oder auch Computerprogramme.
Wer ein fremdes Kunstwerk verwenden möchte, muss dazu die Einwilligung des Künstlers einholen.

So ist auch für Rechtsanwalt Florian Schmidt-Gabain – Experte für Kunst- und Urheberrecht – klar: «Hier wurde der Grossteil eins zu eins übernommen, es liegt keine Inspiration vor, vielmehr sieht das nach einer unzulässigen Bearbeitung aus.» Er kommt zum Schluss: «Der Stoffproduzent hat das Urheberrecht von Frau Brändle missachtet.»

Mein Mitarbeiter hat das Bild aus dem Internet genommen, und da ist es doch öffentliches Gut.
Autor: Andreas Sprecher: Geschäftsführer Novitex

Für Jolanda Brändle heisst das: Sie kann von Novitex die Einstellung der Produktion verlangen, und auch eine nachträgliche Lizenzgebühr einfordern. Doch dafür müsste sie notfalls vor Gericht. Eine mühsame Angelegenheit.

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Zumal sich der Stoffhändler Novitex Fashion AG in Zofingen zuerst nicht besonders einsichtig zeigt. Von «Kassensturz» konfrontiert, erwidert Geschäftsführer Andreas Sprecher: «Mein Mitarbeiter hat das Bild aus dem Internet genommen, und da ist es doch öffentliches Gut.» Falsch! Eine Abklärung, ob das urheberrechtlich überhaupt in Ordnung ist, fand scheinbar erst statt, nachdem «Kassensturz» sich bei Novitex meldete.

Künstlerin soll doch noch entschädigt werden

Und dann geht es plötzlich schnell. Novitex kommt der Künstlerin nun doch entgegen: Die Produktion wird gestoppt und Andreas Sprecher verspricht, man werde mit Jolanda Brändle über eine Entschädigung diskutieren.

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