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Streit ums Rahmenabkommen «Das grösste Problem hat die SP»

Politologe Michael Hermann ist überzeugt: Wird die SP zur Verhinderer-Partei im EU-Dossier, wird sie das Wähler kosten.

Es ist ein grosser Wirbel – ein eigentlicher Eklat – den Gewerkschaftspräsident Paul Rechsteiner am Mittwoch ausgelöst hat. Mit markigen Worten griff der SP-Ständerat FDP-Bundesrat Johann Schneider-Ammann an und teilte diesem mit, dass die Gewerkschaften nicht an den Verhandlungen zum Rahmenabkommen mit der EU teilnehmen werden.

Michael Hermann

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Portrait von Michael Hermann

Hermann ist Geograf und Politikwissenschaftler. Er ist Leiter der Forschungsstelle Sotomo und lehrt am geographischen und politikwissenschaftlichen Institut der Universität Zürich. Mit der Publikation des «Atlas der politischen Landschaften» begründete Hermann seine Karriere als Kommentator der eidgenössischen Politik.

«SP-Basis ist klar europafreundlich»

Ein Gesprächs-Boykott, den die SP-Spitze unterstützt. Sie stellt sich demonstrativ hinter Rechsteiner – und manövriert sich damit in eine schwierige Situation, analysiert Politologe Michael Hermann. Er glaubt nicht, dass das im Sinn der SP-Basis sei: «Umfragen zeigen, dass die SP-Basis am stärksten für ein Rahmenabkommen ist, ihre Basis ist klar europafreundlich. Diese will sicher nicht, dass ihre Partei so ein Abkommen zu Fall bringt», sagt Hermann im Interview gegenüber «10vor10».

Ziehe sie diesen Kurs durch, vergraule die SP ihre Wählerinnen und Wähler. «Ja, da ist die SP in einer verzwickten Situation. Sie bindet sich nun stark an die Gewerkschaften an. Obwohl die eigene Basis in dieser Frage ganz anders positioniert ist. Frage ist dann: Bleiben diese Leute der SP treu, wenn diese zur Verhinderer-Partei wird bei der Europapolitik.»

Unheilige Allianz mit der SVP

Dazu komme, dass die SP sich bei einem Nein zum Rahmenabkommen in eine unheilige Allianz mit der SVP begebe. Diese bekämpft das Rahmenabkommen grundsätzlich, weil sie sich daran stört, dass die EU deutlich mehr Einfluss auf die Schweizer Innenpolitik verlangt.

Hermann: «Die SP hatte in den letzten Jahren einen Aufschwung. Dies nicht zuletzt, weil sie sich klar gegen die SVP gestellt hat – etwa bei der Durchsetzungsinitiative. Zudem haben der Brexit und die Trump-Wahl zu einem Rechtspopulismus geführt. Zu diesem hat die SP eine klare Gegenposition eingenommen. Wenn sie das nicht mehr tut, hat sie grosse Schwierigkeiten.»

Es geht um viel

Ein Jahr vor den Wahlen gehe es gemäss Michael Hermann vor allem um die taktische Positionierung der Parteien. Doch was passiert, wenn tatsächlich ein Rahmenabkommen auf dem Tisch liegt und zur Abstimmung kommt?

«Wenn man am Schluss sagen kann, dass Linke – Gewerkschaften und SP zusammen – die Schuldigen sind, dann heisst es, die SP hat das Abkommen beerdigt. Die SP ist nicht mehr die Europa-Partei, die sie mal war.»

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