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Jubelstimmung in Delémont und auf dem Bundesplatz
Aus Schweiz aktuell vom 07.12.2022.
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Stur und direkt «Von den Knien in den Salon»: Der Weg des Jura in den Bundesrat

Mit Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ist der jüngste Kanton endgültig in der Eidgenossenschaft angekommen – mit all seinen Ecken und Kanten.

Kurz nach der Bekanntgabe der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider rang Joël Burkhalter, Gemeindepräsident von Courrendlin bei Delémont, um Worte: «Es ist fantastisch, ein guter Tag für den Kanton Jura!» Es sei ein sehr emotionaler Moment, fügte der Parteikollege der neuen Bundesrätin unter Tränen an – und diese Tränen stehen auch dafür, was es für den Kanton und die meisten seiner Bewohnerinnen und Bewohner bedeutet, nun eine Bundesrätin zu stellen.

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Bundesrat: Jura feiert Elisabeth Baume-Schneider
aus Echo der Zeit vom 07.12.2022. Bild: KEYSTONE/Anthony Anex
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Auch für die jurassischen Besucher auf dem Bundesplatz ist es ein ganz spezieller Moment. Einer erzählt, das letzte Mal, als sie mit jurassischen Fahnen auf dem Bundesplatz gewesen seien, sei 1979 gewesen – und damals seien sie noch verhaftet worden. Es sei seither viel passiert, fügt er an.

Baume-Schneider: «L'amitiée jurassienne»

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Legende: Elisabeth Baume-Schneider geniesst den Applaus nach der Annahme der Wahl. KEYSTONE/Peter Klaunzer

Bei der Ansprache zur Annahme der Wahl nahm Elisabeth Baume-Schneider mehrmals Bezug auf ihren Heimatkanton. Es sei ein ausserordentlicher Moment, den sie mit ihrer Familie und mit dem Kanton Jura und den Bewohnerinnen und Bewohnern teilen wolle, sagte Baume-Schneider gleich zu Beginn.

Sie dankte dann auch allen Jurassierinnen und Jurassiern für die Unterstützung.

Sie bringe die Jurassische Freundschaft («L'amitié jurassienne») in den Bundesrat und ins Parlament. Diese Freundschaft sei treu – aber auch fröhlich.

Der Wirtschafts- und Gesundheitsdirektor des Kantons Jura, Jacques Gerber, sagt derweil: «Die Wahl zeigt: Der Kanton Jura ist einer geworden wie die anderen auch. Das ist positiv – für die ganze Schweiz.»

Konfliktreiche Geschichte

Es war ein langer Weg, nicht nur bis zur eigenen Bundesrätin, sondern überhaupt bis zum eigenen Kanton. Dieser kam erst am 1. Januar 1979 zustande, nachdem das Schweizer Stimmvolk am 24. September 1978 Ja gesagt hatte.

Beim Wiener Kongress 1815 war das Gebiet des heutigen Juras dem Kanton Bern zugesprochen worden. Darauf kam es immer wieder zu Konflikten mit der Berner Regierung. Doch die Zäsur geschah 1947. Der Jurassier Georges Möckli trat aus der Berner Regierung zurück, weil ihm das Baudepartement aufgrund seiner französischen Muttersprache verwehrt wurde.

Polizeibeamte untersuchen das zerstörte Munitionsdepot der Schweizer Armee von Glovelier (BE).
Legende: Polizeibeamte untersuchen das zerstörte Munitionsdepot der Schweizer Armee von Glovelier (BE) nach einem Anschlag der geheimen Separatistengruppe «Front de Liberation Jurassien» im Juli 1972. KEYSTONE/Str

Ab da gibt es immer wieder Proteste der Separatisten aus den katholischen Jura-Gebieten – häufig friedlich, es kam aber auch zu Gewalt. Die «Front de libération jurassien» und später die «Beliérs» sind für zahlreiche Anschläge mit hohem Sachschaden verantwortlich. Nach 1979 kämpfen die «Béliers» weiter. Für den Anschluss des Südjuras, der beim Kanton Bern verblieben war – und das ausser Moutier auch bleiben sollte.

Doch 1979 ist das primäre Ziel erreicht – ein eigener Kanton Jura. Und nun also die erste Bundesrätin. Das freut auch den Gründervater des Kantons Jura, François Lachat. Er gehörte der ersten Jurassischen Regierung an. Mittlerweile 80-jährig sagt er: «Zuerst sind wir auf Knien in die Schweiz gekommen, 1979 dann aufrecht und jetzt sind wir endlich im Salon angekommen». Salonfähig sei der Jura also mittlerweile, meint Lachat.

François Lachat in Siegerpose im Hotel du Boeuf in Delémont am Abend der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider.
Legende: François Lachat in Siegerpose im Hotel du Boeuf in Delémont am Abend der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider in den Bundesrat. KEYSTONE/Jean-Christophe Bott

Für ihn ebenso symbolträchtig: Die gleichzeitige Wahl von Elisabeth Baume-Schneider mit einem Berner Vertreter, Albert Rösti – und das in aller Freundschaft. Das sei sehr positiv, so Lachat. Ist die Jura-Frage damit und mit dem bevorstehenden Kantonswechsel von Moutier endgültig gelöst? Er gebe darauf keine Antwort, sagt François Lachat.

Wir sind rebellisch, wir sind offen und direkt – und wir feiern gerne.
Autor: François Lachat Gründungsvater des Kantons Jura

Er habe bereits der damaligen Bundesrätin Elisabeth Kopp gesagt: «Noch zwei Meter unter der Erde wird mein Skelett ‹Wiedervereinigung› sagen.» Sein Traum bleibt also weiterhin der Anschluss des Berner Juras.

Lachat gibt damit auch einen Hinweis auf die Identität der Jurassierinnen und Jurassier – auch auf die Sturheit, die mitgeholfen hat, dem jungen Kanton die erste Bundesrätin zu bescheren. Lachat charakterisiert denn seine Leute auch folgendermassen: «Wir sind rebellisch, wir sind offen und direkt – und wir feiern gerne.» Dazu hatten sie zumindest an diesem Mittwoch allen Grund.

Schweiz Aktuell, 8.12.2022, 19:00 Uhr;

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