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Süsse Nahrungsmittel Zuckersteuer: Bevormundung oder Gesundheitsschutz?

Zucker ist beliebt – zu beliebt, finden einige. Eine Zuckersteuer soll für Abhilfe sorgen. Fragen und Antworten zur süssen Droge.

Worum geht es? Zu viel Zucker ist ungesund. Um Krankheiten, die durch einen zu hohen Zuckerkonsum ausgelöst werden, einzudämmen, soll die Zuckersteuer eingeführt werden. Zuckerhaltige Getränke sollen dadurch teurer werden. Der Arzt und Genfer CVP-Politiker Bertrand Buchs hat einen entsprechenden Vorstoss lanciert.

Negative Effekte bei zu viel Zucker

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«Regelmässiger hoher Zuckerkonsum hat negative Effekte auf die verschiedensten Organsysteme. Angefangen beim Mund, wo Zucker der Hauptverursacher für Karies ist, aber auch auf den Stoffwechsel. Er begünstigt Übergewicht und Diabetes, schädigt die Gefässe und führt zu Bluthochdruck», erklärt die Ernährungswissenschaftlerin Anne Christin Meyer-Gerspach die Problematik.

Wie weit ist die Schweiz? Eine Zuckersteuer gibt es in der Schweiz bisher nicht. Sie wird jedoch in einigen Westschweizer Kantonen diskutiert. Am weitesten ist der Kanton Genf. Ein Grundsatzentscheid ist gefallen, die Umsetzung ist aber noch offen.

Was würde mit den Einnahmen passieren? Mit den Einnahmen aus der Genfer Zuckersteuer sollen Präventionskampagnen finanziert werden, erläutert Westschweizkorrespondent Andreas Stüdli. Auch die Waadt plante eine Steuer auf zuckerhaltige Süssgetränke. Dieses Geld sollte Zahnbehandlungen finanzieren. Der Vorstoss scheiterte 2018 im Kantonsparlament. Der Kanton Neuenburg startete eine Standesinitiative an National- und Ständerat. Sie wurde vor drei Jahren abgelehnt. Die Einnahmen wären für Präventionskampagnen gegen Diabetes und Fettleibigkeit verwendet worden.

Unter einem Gefäss mit Zucker liegen zwei Ein-Dollarscheine.
Legende: Die Situation in anderen Ländern: In den meisten Fällen im Ausland fliessen die Einnahmen direkt in die Staatskasse, ohne einen bestimmten Verwendungszweck. imago images

Gibt es bereits gesetzliche Regelungen? In der Schweiz gibt es keine gesetzlichen Regelungen, die Herstellern zuckerhaltiger Getränke vorschreiben, weniger Zucker zu verwenden. Der Bundesrat setzt auf Freiwilligkeit. Konkret hat er deshalb 2015 mit Lebensmittelherstellern wie Nestlé und Detailhändlern wie Coop und Migros die «Erklärung von Mailand» verabschiedet. Darin verpflichten sich die beteiligten Unternehmen, den Zuckeranteil in bestimmten Lebensmitteln freiwillig zu senken. Bisher gilt das nur für Joghurt und Frühstückszerealien. Süssgetränke sind nicht Teil der Vereinbarung.

Zuckerfallen und Kritik an der Freiwilligkeit

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Anne Christin Meyer-Gerspach ist der Meinung, dass die Eigenverantwortungsinitiativen der Nahrungsmittelindustrie unter den heutigen Umständen nicht funktionieren können. «Eigenverantwortung ist nicht möglich, solange die Aufklärung über die Schäden von hohem Zuckerkonsum ungenügend ist und ‹Zuckerfallen› existieren.»

Die stellvertretende Leiterin St. Clara Forschung AG nennt folgende Fallen:

  • Versteckter Zucker: Viele Fertigprodukte, von denen man es nicht erwartet, enthalten Zucker. Das sind zum Beispiel Salatsaucen oder Fertigpizzen.
  • Angeblich gesunder Zucker: Agavensirup, Kokosblütenzucker, Honig – letztendlich bestehen alle aus Traubenzucker oder Fruchtzucker.
  • Vermeintlich gesunde Produkte: Das sind Produkte, bei denen man glaubt, sie seien gesund. Sie enthalten jedoch sehr viel Zucker, beispielsweise Fruchtsäfte und Smoothies.
  • Die Deklaration von Zucker: Es werden Synonyme verwendet. Dabei sei Traubenzucker nichts anderes als Dextrose und Glukose.

Wäre eine Zuckersteuer eine Bevormundung? Das hänge von der Sichtweise ab, erklärt die Wirtschaftsredaktorin Maren Peters. «Liberale Ökonominnen und Ökonomen, die generell kritisch gegenüber staatlichen Eingriffen sind, empfinden eine Zuckersteuer als Bevormundung.» Es sei nicht Aufgabe des Staates, mithilfe einer Steuer zuckerhaltige Getränke teurer und damit unattraktiver zu machen, um Konsumierenden ein gesünderes Leben aufzuzwingen, argumentieren sie.

Ernährungswissenschaftlerin Meyer-Gerspach sieht die Zuckersteuer als letzten Punkt von verschiedenen Massnahmen. «Wichtiger ist, dass die breite Bevölkerung auf die schädliche Wirkung von überhöhtem Zuckerkonsum aufmerksam gemacht wird und die genannten Zuckerfallen behoben werden.»

Wie argumentiert die WHO für eine Zuckersteuer? Die WHO argumentiere, dass sich die Zahl fettleibiger Menschen seit den 70er-Jahren verdreifacht hat, erklärt die SRF-Wirtschaftsredaktorin. Fettleibigkeit führe zu Krankheiten und Kosten für die Gesellschaft. «Laut WHO haben viele Menschen nicht genügend Informationen, um entscheiden zu können, ob sie gesund leben wollen oder nicht», so Peters.

Wie ist die Lage in anderen Ländern? Eine Steuer auf zuckerhaltige Getränke gibt es weltweit. In Europa sind es zehn Länder. Dazu kommen weitere 27 Staaten und einige Bundesstaaten in den USA, weiss die Ernährungswissenschaftlerin Anne Christin Meyer-Gerspach. Die Höhe der Steuer sei sehr variabel, sie werde häufig nach Zuckergehalt abgestuft. «In den meisten Staaten fallen auch Getränke mit künstlichen Süssstoffen unter die Steuerpflicht. Genau das ist richtig. Mit der heutigen Datenlage darf der Zucker nicht eins zu eins durch andere Süsssubstanzen ersetzt werden», so Meyer-Gerspach. 

In einem Supermarkt stehen Zuckerpackungen in Regalen.
Legende: Derzeit gibt es in Europa eine Steuer auf Süssgetränke in Ungarn, Finnland, Frankreich, Belgien, Grossbritannien, Irland, Lettland, Norwegen, Portugal und Spanien. Reuters

SRF 4 News, Rendez-vous, 27.01.2022, 12:30 Uhr

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