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«Suisse Secrets» Roger Blum, wie heikel ist das Bankengesetz für die Medien?

Laut einem internationalen Recherche-Netzwerk soll die Grossbank Credit Suisse über Jahre umstrittene Machthaber und korrupte Beamte als Kunden gehabt haben. Schweizer Medien hätten bei der Recherche auf die Teilnahme verzichtet, denn seit 2015 drohe Journalistinnen und Journalisten ein Strafverfahren, wenn sie über geleakte Bankdaten schreiben. Professor für Medienwissenschaften und Journalist Roger Blum ordnet das Recherche-Verbot ein.

Roger Blum

Professor für Medienwissenschaft und Journalist

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Roger Blum ist emeritierter Professor für Medienwissenschaft an der Universität Bern und Journalist. Während 22 Jahren trug er Verantwortung in Medienaufsichtsorganen (Presserat, Unabhängige Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen, Ombudsmann der SRG Deutschschweiz).

SRF News: Offenbar haben nur ausländische Medien zum Fall «Suisse Secrets» recherchiert. Für Schweizer Journalistinnen wäre dies offenbar aufgrund des Bankengesetzes heikel gewesen. Was bedeutet dieser Artikel für Medien?

Roger Blum: Die Bestimmung im Bankengesetz, die 2015 in Kraft getreten ist, hat nun ziemlich harte Folgen für die Journalistinnen und Journalisten. Bei der Veröffentlichung von Bankdaten laufen sie Gefahr, bis zu drei Jahren ins Gefängnis zu müssen, selbst wenn sie seriös arbeiten.

Bei der Veröffentlichung von Bankdaten, laufen Journalistinnen und Journalisten Gefahr, bis zu drei Jahren ins Gefängnis zu müssen.

Würden Sie sagen, dies ist eine Einschränkung der Pressefreiheit?

Das ist eine Einschränkung. Die Pressefreiheit ist ein sehr hohes Gut. Sie ist gewissermassen heilig, denn mit ihr können alle möglichen Mächte in einem Land kritisiert und kontrolliert werden. Wenn die Pressefreiheit eingeschränkt wird, dann ist das ein Schritt zur Autokratie, Diktatur und Zensur. Wird sie gewährleistet, herrscht grundsätzlich Freiheit, Demokratie. Daher ist sie enorm wichtig und man sollte sie auf keinen Fall einschränken.

Die Pressefreiheit ist enorm wichtig und man sollte sie auf keinen Fall einschränken.

Es ist wichtig, dass die Journalisten von der Pressefreiheit einen verantwortungsvollen Gebrauch machen. Sie sollten darauf achten, dass ein öffentliches Interesse besteht, wenn sie etwas veröffentlichen und, dass die Beschuldigten jeweils angehört werden. Zudem sollen die Themen, die sie veröffentlichen, relevant sein.

Bestand aus Ihrer Sicht ein öffentliches Interesse?

Ja, wenn Verbrecher Konten bei Schweizer Banken haben, wenn Diktatoren geschützt werden, wenn Terroristen da allenfalls auch ihre Konten haben, dann besteht ein öffentliches Interesse, dies zu wissen. Vor allem, weil die Banken in letzter Zeit betont haben, dass sie sehr moralisch vorgehen und keine Kunden annehmen, die schmutziges Geld bei ihnen anlegen.

Man könnte aber auch argumentieren, dass die Fälle mehrheitlich in der Vergangenheit liegen, aufgearbeitet sind und man die Vergangenheit somit ruhen lassen könnte?

Es ist noch unklar, was alles in diesen Daten ist. Dies werden wir sukzessive durch die Veröffentlichungen erfahren. Einerseits sind es Fälle, die weit zurückliegen, andererseits aber auch Fälle, die nach 2000 zu Konten geworden sind. Hier liegt eine Aktualität vor. Der Blick auf die Geschichte wird verändert, wenn man Zusätzliches weiss und neue, unangenehme Dinge zum Vorschein kommen.

In der Schweiz ist den meisten Politikerinnen und Politikern bewusst, dass die Pressefreiheit wichtig ist. Wie kommt es, dass ein solches Gesetz gemacht wurde?

Im Jahr 2010 gab es einen Datenklau, bei welchem CDs mit Daten von Bankkunden, die Steuerhinterziehung betrieben haben, nach Deutschland gelangten, wo man diese ausgewertet hat. Viele der betroffenen Bankkunden haben sich folgend selbst angezeigt, um einem Strafverfahren zu entgehen und haben die Steuern nachgezahlt. Das war ein grosses Ereignis und in der Schweiz war man sehr empört. In Deutschland hat man aber gerichtlich festgestellt, dass das rechtens war.

Daraufhin hat die FDP eine parlamentarische Initiative eingereicht, dass man das Bankengesetz in diesem Punkt verschärft, was dann 2015 beschlossen wurde. Die Medien haben offensichtlich nicht gemerkt, welche schweren Folgen dies für den Journalismus hat.

Sollte man dieses Gesetz jetzt korrigieren?

Das sollte man auf jeden Fall korrigieren. Hierzu müssten Juristen und Parlamentarier Formulierungen finden, wie man im Gesetz festlegt, dass der Journalismus da gewissermassen ausgenommen ist. 

Das Gespräch führte Lucia Theiler.

Tagesschau vom 20.02.2022, 19:20 Uhr. ; 

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