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SUV-Schwemme SUV fahren Schweizer Klimaziele über den Haufen

Jeder zweite Neuwagen ist ein 4x4, oft ein schwerer SUV, der deutlich mehr CO2 ausstösst als normale Mittelklassewagen.

Kolosse oder Strassenpanzer. Wenig schmeichelhafte Übernamen für die SUV. Die korrekte Abkürzung steht für angeblich sportlich-praktische Fahrzeuge. Vor Jahren noch verpönt, kurven die grossen Autos heute in wachsender Zahl herum. Selten über verschneite Bergpässe, sondern vor allem auf gut ausgebauten Strassen.

Komfortabel, gross und schwer

Fahrkomfort, viel Platz für die Familie und ein Vierrad-Antrieb für die Berge. Diese Kaufargumente nennen die SUV-Fahrerinnen und -Fahrer in der Umfrage von «Kassensturz». SUV sind allerdings schwerer als gewöhnliche Autos und stossen entsprechend mehr CO2 aus. Die Folge davon ist, dass die Schweizer Neuwagenflotte im internationalen Vergleich schlecht da steht.

In Norwegen, Portugal und in den Niederlanden stossen die Neuwagen am wenigsten CO2 aus. Weit abgeschlagen auf dem letzten Platz: die Schweiz mit über 137 Gramm CO2 pro Km.

Hohe Kaufkraft Topografie als Begründung

«Kassensturz» konfrontiert Andreas Burgener, Direktor von Auto-Schweiz, mit dem schlechten Resultat. Burgener rechtfertigt den letzten Platz mit der Topografie und den klimatischen Verhältnissen. Ein Grund sei auch die hohe Kaufkraft im Land: «Die Schweizerinnen und Schweizer kaufen gut ausgestattete Fahrzeuge mit Komfort und Sicherheitsoptionen. Das ist immer auch Gewicht, und Gewicht bedeutet Verbrauch», erklärt Andreas Burgener.

Klimaschutz bleibt auf der Strecke

Nicht zuletzt ist es auch die Autobranche selbst, die mit ihrer Werbung Bedürfnisse schafft. Inserate und TV-Spots kurbeln den Verkauf von SUV an. Um nicht weiter an den Klimazielen vorbeizufahren, setzt die Autobranche auf neue Technologien und Innovation. Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener nimmt auch die Autokäufer in die Verantwortung: «Es braucht eine Verhaltensänderung. Am Schluss entscheidet immer noch der Kunde, was er kauft.»

SRF 1 «Forum» vom 17.01.19

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CO2-Ziel permanent überschritten

Neuwagen durften in den letzten Jahren im Schnitt maximal 130 Gramm CO2 pro Kilometer ausstossen. Dieses Ziel wurde nie erreicht. Seit 2016 nimmt der Ausstoss sogar stetig zu. Ab diesem Jahr gilt nun einer neuer Zielwert von nur noch 95 Gramm. Der aktuelle CO2-Ausstoss liegt weit darüber. Gemäss Informationen des BFE lag er Ende 2019 bei 138,8 Gramm.

Die zuständige Behörde, das Bundesamt für Energie BFE, verspricht sich viel vom neueren, strengeren Ziel. Christoph Schreyer, Leiter des Bereichs energieeffizienter Verkehr erklärt im Interview mit «Kassensturz»: «Wenn man ab 2020 das 95er-Ziel erreichen will, geht es nicht mehr mit immer schwerer. Dann müssen die Fahrzeuge signifikant leichter werden und elektrisch betrieben werden.» Die ganze Regulierung übernimmt die Schweiz von der EU. Sie ist nicht frei von Fehlanreizen.

Fehlanreiz Nummer 1: Schwergewichte werden belohnt

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Jeder Autoimporteur hat ein individuelles CO2-Ziel. Dieser hängt ab vom Gewicht der Neuwagenflotte. Wer schwere Autos verkauft, profitiert von leichteren Vorgaben. Der Gewichtsbonus machts möglich. So funktioniert der Fehlanreiz: 2018 betrug das durchschnittliche Gewicht aller Neuwagen 1600 Kg. BMW, Mercedes und Volvo verkauften deutlich schwerere Fahrzeuge. Für das Übergewicht wurden sie nicht bestraft, sondern gar noch belohnt. Sie erhielten Zielwerte weit über den offiziellen 130 Gramm. Immerhin ab diesem Jahr wird der Gewichtsbonus reduziert.

Fehlanreiz Nummer 2: Einseitiger Fokus nur auf Neuwagen

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Ökonom Mark Schelker befasst sich seit Jahren mit den wahren Kosten der Mobilität. Die aktuelle Regelung mit Zielwerten einzig für Neuwagen bringe dem Klima praktisch nichts, so die Kritik des Volkswirtschaftsprofessors der Uni Fribourg: «Nimmt man das Klimaproblem ernst, dann müssen alle entsprechend der Emission zahlen. Und das ist genau das Problem einer Regulierung, die nur die Neuwagen betrifft. Das bedeutet, wenn man einen Neuwagen bezahlt hat, kann man fortan praktisch gratis CO2 ausstossen.» Ein typischer Fehlanreiz. Konkret fordert Ökonomieprofessor Mark Schelker eine umfassende CO2 Steuer, welche auch den Benzinpreis erhöht. Die Steuer soll an die Bevölkerung zurückerstattet werden. So würden diejenigen belohnt, welche verbrauchsarme Fahrzeuge fahren. Aktuell geht es aber in die andere Richtung. Der Verkehr ist einer der grössten Schweizer Klimasünder, auch wegen den SUV.

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