Die Schweizerische Volkspartei ist mit den Entscheiden ihres Bundesrichters Yves Donzallaz nicht zufrieden. Deshalb empfiehlt sie ihn nicht zur Wiederwahl. Ist das legitim? Rechtsprofessor Oliver Diggelmann äussert sich dazu.
SRF News: Kann die SVP erwarten, dass ein von ihr unterstützter Richter Urteile in ihrem Sinn fällt?
Oliver Diggelmann: Man muss unterscheiden: Es gibt die Situation vor der erstmaligen Wahl und die nachher. Vor dem erstmaligen Wahlvorschlag darf eine Partei sagen, ob dieser Kandidat ihrer Weltanschauung entspricht. Bei Herrn Donzallaz ist die Situation eine ganz andere.
Hier wird ein Richter für konkrete Urteile sanktioniert, und das geht mit der Gewaltenteilung nicht zusammen. Wenn Richter wegen missliebiger Urteile mit Abwahl rechnen müssen, dann entsteht politischer Druck auf Urteile. Die Unabhängigkeit der Justiz bröckelt. Nicht grundlos werden höchste Richter in anderen Staaten, zum Beispiel in den USA, auf Lebzeiten gewählt.
Natürlich würde die SVP nicht wollen, dass andere Parteien das Gleiche tun.
In der Schweiz muss ein Richter Mitglied einer Partei sein, damit er an ein Gericht gewählt werden kann. Wie unabhängig kann eine Richterin oder ein Richter überhaupt sein?
Faktisch sind die Richterinnen und Richter in der Schweiz weitgehend unabhängig. Sie müssen zwar für die Wahl in eine Partei eintreten und auch gewisse Abgaben leisten, die manchmal etwas weit gehen. Im grossen Ganzen aber respektieren die Parteien die richterliche Unabhängigkeit.
Die SVP tut so, als ob sie das Problem nicht sähe. Natürlich würde sie nicht wollen, dass andere Parteien das Gleiche tun. Aber sie erzeugt Medienaufmerksamkeit und opfert vielleicht ein Stück rechtsstaatliche Kultur.
Wer nicht von einer Partei unterstützt wird , hat keine Chance auf ein Richteramt am Bundesgericht , selbst wenn er oder sie hoch qualifiziert ist. Ist das sinnvoll?
Wenn die Parteien Richter mit Sachverstand auswählen und hinterher die Unabhängigkeit respektieren, ist das kein schlechtes System. Es ist durchaus pragmatisch, denn eine gewisse Repräsentativität der Justiz kann das Vertrauen in sie stärken, solange die Parteibindung lose ist. Die Idee eines Parteisoldaten ist etwas völlig anderes.
Eine Abwahl bei Steuerhinterziehung muss möglich sein, wegen missliebiger Urteile ganz klar nicht.
Nun steht die Justizinitiative auf der Traktandenliste. Sie verlangt, dass in Zukunft das Los darüber entscheidet, wer ans Bundesgericht gewählt wird. Der Bundesrat lehnt die Initiative ab. Was sehen Sie als die beste Lösung für eine möglichst unabhängige Justiz?
Für eine gute und unabhängige höchstrichterliche Justiz braucht es zweierlei. Es braucht erfahrene und kluge Richterinnen und Richter mit Augenmass, die auch Gegenwind aushalten können und ein Wahlorgan, das die Unabhängigkeit nach der Wahl respektiert. Eine Abwahl bei Steuerhinterziehung muss möglich sein, wegen missliebiger Urteile ganz klar nicht. Beim Losentscheid käme die Persönlichkeitsdimension zu kurz.
Proportionale Wahlvorschläge der Parteien sind meiner Meinung nach nicht das Problem. Die Justizinitiative würde zwar die Parteibindungen kappen, die hier bei Herrn Donzallaz das Problem ist, aber letztlich doch zu viel Funktionierendes des heutigen Systems opfern.
Mit anderen Worten: Das jetzige System funktioniert Ihrer Ansicht nach gut?
Ich würde das System nicht anhand des Falles Donzallaz beurteilen. Es ist ein Fall mit einem Hintergrund, der bei einer bestimmten politischen Ecke kommt. Insgesamt würde ich sagen, dass das heutige System bei klar benennbaren Mängeln nicht schlecht funktioniert.
Das Gespräch führte Daniel Hofer.