Es stellen sich viele Fragen am Tag nach der Delegiertenversammlung der bernischen SVP. Weshalb führte die Partei eine Versammlung mit rund doppelt so vielen Personen wie angemeldet durch? Weshalb hielten sich die Mitglieder grösstenteils – und trotz einmaligem Aufruf während der Veranstaltung – nicht an die Maskenpflicht?
Weshalb sang man auch noch gemeinsam ein Lied zum Abschluss, obwohl Singen ein erhöhtes Risiko darstellt? Wer trägt dafür die Verantwortung? Und: Hat diese Geschichte ein Nachspiel? Fragen über Fragen.
Das sagt die SVP
«Wir waren erstaunt, dass trotz Ferien so viele Menschen kamen», sagt Aliki Panayides, die Geschäftsführerin der SVP Kanton Bern. Bei einer Präsidentenwahl könne man die Delegierten nicht von der Tür stehen lassen. Aber: «Wir haben versucht, im Raum möglichst viel Platz freizulassen und hatten auch durchgehend offene Fenster, um zu lüften.»
Dass die Maskenpflicht kaum eingehalten wurde, habe sie überrascht: «Ich hätte gedacht, die Leute tragen die Maske. Wahrscheinlich haben sie die Regeln mit denjenigen in Restaurants verwechselt, wo man die Maske ablegen darf. Und eine Mehrheit war sicher geimpft – da stellt sich momentan die Frage, ob es noch eine Maske braucht.»
Wir sind die Partei der Eigenverantwortung. Jeder muss selbst wissen, welchem Risiko er sich aussetzt.
Man habe versucht, die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass eine Maskenpflicht gelte, sagt Panayides. Scheinbar ohne Erfolg. «Am Schluss gilt die Eigenverantwortung.»
Und weshalb wurde zum Schluss auch noch gemeinsam gesungen? «Wir haben unser Programm durchgezogen. Es war jeder und jedem selbst überlassen, den Saal zu verlassen, falls man sich nicht mehr wohlgefühlt hätte.»
Das sagt die Gemeinde Belp
Man habe den Saal entsprechend nach den Wünschen der SVP für die Delegiertenversammlung vorbereitet, sagen die Verantwortlichen der Gemeinde Belp auf Anfrage des Regionaljournals Bern Freiburg Wallis von Radio SRF. 160 Stühle seien das gewesen, sagt die Gemeinde. Die SVP aber spricht von 200 Stühlen.
Kurz nach 20 Uhr traf bei der Gemeinde jedoch die Meldung ein, dass wegen des grossen Andrangs deutlich mehr Stühle benötigt würden. Die SVP wurde laut der Gemeinde auf die Einhaltung der geltenden BAG-Richtlinien aufmerksam gemacht.
Der betreffende Saal wird auch für Gemeindeversammlungen gebraucht. Wenn die Abstandsregeln eingehalten werden, passen rund 200 Personen in den Saal. Am Dienstagabend bei der SVP-Delegiertenversammlung waren es 426 Personen.
Das sagt der Regierungsstatthalter
Christoph Lerch, der Regierungsstatthalter von Bern-Mittelland, schliesst sich den Worten von Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg an: Er finde es auch nicht gut, wenn während Corona so viele Menschen in einem Saal ohne Maske zusammensitzen.
Er sehe aber auch, dass die Organisatoren überwältigt worden seien. Trotzdem: «Das waren einfach zu viele Leute.» Die Veranstalter seien in diesem Fall verantwortlich.
Ohne Anzeige unternehmen wir nichts.
Falls eine Einzelperson nun eine Anzeige erstatte, werde die Sache überprüft und allfällige Beweise gesichert, Stellungnahmen eingeholt, die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Falls es keine Anzeige gibt, passiere wohl nichts. Die Kantonspolizei schreibt auf Twitter: «Auch wir haben durch die Berichterstattung Kenntnis von dem Anlass genommen und nun entsprechende Abklärungen eingeleitet. Denen können wir hier aber nicht vorgreifen.»