Eine Handorgelkappelle sorgt für warme, heimelige Stimmung am traditionellen Fondue zur Ausrufung der Republik im neuenburgischen La Brévine. Der Gemeindesaal ist bis auf den letzten Platz gefüllt – doch der Schein trügt: Politisch weht der SVP im Sibirien der Schweiz ein eisiger Wind entgegen.
Falls jemand da sei, der sich für die eidgenössischen Wahlen zur Verfügung stellen möchte, solle er sich bitte melden, ruft Kantonalpräsident Walter Willener in den Saal. Die Frist sei verlängert worden. Bislang haben sich nur drei Kandidaten gemeldet. Niels Rosselet-Christ, SVP-Fraktionschef im Neuenburger Kantonsparlament, ist einer davon.
Dünne Personaldecke in der Romandie
Die SVP kämpfe in Neuenburg nach wie vor damit, salonfähig zu sein, sagt Rosselet-Christ. «Geschäftsleute haben zum Teil immer noch Angst, dass ihre Unternehmen darunter leiden könnten, dass sie SVP-Mitglieder sind.»
Als Zugpferd ist Yvan Perrin als Kandidat zurückgeholt worden. Der ehemalige Regierungsrat trat einst aus gesundheitlichen Gründen zurück. Seine Gesundheit ist nach wie vor fragil und jünger ist er auch nicht geworden.
Überalterung, eine dünne Personaldecke und fehlender Nachwuchs machen der SVP besonders in Neuenburg, aber auch in den meisten anderen Westschweizer Kantonen zu schaffen.
Der Westschweizer ist staatsgläubiger.
Das Wählerpotenzial sei zwar da, ist der neue Kampagnenleiter Oskar Freysinger überzeugt. Doch die Westschweiz sei linker als die Deutschschweiz. «Der Westschweizer ist staatsgläubiger.» Deshalb müsse seine Partei mehr Überzeugungsarbeit leisten.
Kernargumente der SVP wie Volkssouveränität oder direkte Demokratie ziehen in der Romandie weniger. Auch Europa gegenüber ist die Westschweiz tendenziell offener eingestellt als die Deutschschweiz.
Abgeänderte SVP-Kampagne für die Romandie
Freysinger will mit denselben Inhalten, aber mit einer anderen Rhetorik als in der Deutschschweiz überzeugen. «Man muss hier eher durch die Blume sprechen.» Deshalb fahre man in der Romandie eine leicht abgeänderte Kampagne. Dies soll auch dazu beitragen, das nach wie vor verbreitete Vorurteil abzubauen, die SVP sei eine Importpartei aus der Deutschschweiz.
Gradmesser für die Westschweizer SVP ist die Waadt: Bei der anstehenden Ersatzwahl von Pierre-Yves Maillard im grössten Kanton der Romandie will die SVP der SP diesen Sitz streitig machen und wieder in die Kantonsregierung einziehen.
Zur Zeit ist die SVP in keinem Westschweizer Kanton mehr im Staatsrat vertreten. Auf den Schub, der die Wahl des Waadtländer SVP-Bundesrats Guy Parmelin hätte bringen sollen hoffte man bis jetzt vergebens. Oskar Freysinger relativiert: «Wenn jemand für eine Partei in den Bundesrat einzieht, bringt das keine Stimmen.»
Interne Querelen bremsen die SVP
Sicher nicht förderlich sind auch die hausgemachten Probleme, mit denen die SVP im letzten Jahr gleich in mehreren Kantonen Schlagzeilen gemacht hat. Es geht dabei um interne Querelen und Rücktritte.
Die Romandie ist und bleibt ein hartes Pflaster für die SVP. Kampagnenleiter Freysinger kennt die Gegebenheiten und auch die subtilen kantonalen Unterschiede.
Sein Geheimrezept heisst Humor – so hat er denn auch in La Brévine zahlreiche Lacher auf seiner Seite. Es liegt jetzt an ihm, nicht nur eine unterhaltsame Show zu bieten, sondern auch zu überzeugen. Schliesslich will nach den eidgenössischen Wahlen auch die SVP zu den Lachenden gehören.