Carla del Ponte klagt an. Nein, nicht wie erhofft die Kriegsverbrecher in Syrien, sondern die Vereinten Nationen und die internationale Politik. Denn diese verhinderten, dass Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen würden, schreibt sie in ihrem neuen Buch «Im Namen der Opfer», das sie heute in Zürich vorstellt.
Im «Tagesgespräch» von Radio SRF berichtet del Ponte, wie die Mitglieder der Syrien-Kommission nicht weitergehen und besser ermitteln konnten, um einen internationalen Gerichtshof zu erhalten. Diesen Kloss habe sie seit der Demission im letzten Sommer im Hals. Deshalb habe sie jetzt ein Buch geschrieben, das viel Neues enthalte.
Im Buch ist die Wahrheit von allem, was geschehen ist, samt der Kritik an UNO und Sicherheitsrat.
Del Ponte stellt fest, dass die UNO-Kommission im siebten Jahr des Krieges zur reinen Alibiübung verkommen sei. Ganz im Gegensatz zum Balkan, zu Ruanda und Sierra Leone sei bei Syrien im UNO-Sicherheitsrat keinerlei Wille vorhanden, ein internationales Gericht zu schaffen. Zu gross seien die verschiedenen politischen Interessen.
Verbrechen gegen die Menschlichkeit von allen Seiten sind laut del Ponte in Syrien an der Tagesordnung. Die Grausamkeit und Intensität dieser Verbrechen übersteige den Völkermord in Ruanda und den Jugoslawienkrieg, auch bezüglich Folter in Gefängnissen oder Gewalt an Frauen und Kindern.
Eine solche Grausamkeit haben wir anderswo nicht erlebt.
Als Beispiel für die Abscheulichkeiten nennt del Ponte unter anderem die Hinrichtung eines Zwölfjährigen. Dazu habe man ermittelt und auch mit der Mutter gesprochen und die Täterschaft festgestellt. Aber ohne Tribunal habe man nichts machen können. In Syrien herrsche totale Straflosigkeit. Alle Parteien wüssten es und achteten auf nichts: «Die Zivilisten werden getötet, als wenn nichts wäre.»
Eine wichtige Liste?
Angesprochen auf eine Liste mit Namen, die mit Blick auf ein allfälliges Tribunal bedeutend werden könnte, sagte del Ponte: «Es ist eine Liste mit Verdächtigen, gegen die man weiter ermitteln müsste. Mit den bisher gesammelten Beweisen können sie heute nicht angeklagt werden.»
Wir konnten dokumentieren, aber nicht mehr, erinnert sie sich an ihre frustrierende Zeit in der Kommission. «Wenn man mich nichts machen lässt, gehe ich lieber weg. Golf spielen. Ich habe in fünf Jahren alles versucht und nichts erreicht.»