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Tamilische Diaspora Die verbotene Liebe im Kastenwesen

In der tamilischen Kultur herrscht teilweise Druck, innerhalb der gleichen Kaste zu heiraten – ein Schweizer Tamile erzählt.

«Ich weiss, dass mich auch enge Freunde verlassen würden – falls ich eine Frau aus der falschen Kaste heiraten würde.» Jeni ist 28 Jahre alt und Tamile aus Zürich.

Er kann sich dem gesellschaftlichen Zwang, der tausende Kilometer entfernt entstanden ist, nicht entziehen. Das traditionelle Kastenwesen herrscht auch hier in der Schweiz.

Jeni vor dem Tempel bei Olten.
Legende: «Viele Beziehungen scheitern am Kastenwesen.» Der 28-jährige Jeni will einen Wandel. SRF

«Es ist eine Art Schubladisierung, in die man hineingeboren wird – man bleibt sein Leben lang in der entsprechenden Kaste», erklärt Jeni. Bei ihm habe es lange gedauert, bis er erkannt habe, wie problematisch dieses System sei. Menschen in tieferen Kasten würden systematisch diskriminiert und hätten keine Aufstiegsmöglichkeiten.

Das Kastenwesen in Sri Lanka

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Die Priester seien wegen der Nähe zu Gott in der obersten Kaste zugeordnet. «Danach folgen die Bauern, weil sie für das Essen zuständig waren – folgend kommen alle weiteren.» So versucht Jeni, das Kastensystem in zwei Sätzen zu erklären. In seinem ganzen Wesen sei es jedoch unmöglich, es auf eine kurze Erklärung herunterzubrechen.

Komplett verstehen kann es selbst Jeni nicht. Das System ist neben den Hauptkategorien noch in unzählige Unterkasten aufgegliedert. Zudem herrschen je nach Region auch unterschiedliche Kastensysteme.

Trotzdem gehen auch in der Schweiz noch viele dieser Lehre nach, «auch junge Freunde, die mit mir hier zur Schule gingen». Für Jeni besonders grotesk: «Eigentlich jeder Tamile, den ich kenne, hat einmal eine Diskriminierung erlebt – da ist es absurd, dass wir uns so selbst diskriminieren.»

Man könne deshalb auch hier nicht generalisieren, «so erlebe ich es und viele Freunde – es gibt jedoch nicht den einen Tamilen oder die eine Tamilin». Diese Botschaft ist Jeni wichtig.

Fakt ist: Das Kastenwesen ist ein grosses Tabuthema in der Community. In den Fokus kommt es meist erst vor einer Hochzeit, respektive dann, wenn ein Paar kommuniziert, dass es zusammen ist.

Der Druck aus konservativ geprägten Familien kann immens sein – nicht selten entscheide man sich am Ende gegen die Liebe und für die Familie. Was bleibe, sei Trauer und Unverständnis, so Jeni.

Black July

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Im Juli vor 40 Jahren begann der Bürgerkrieg in Sri Lanka, der als «Black July» in die Geschichtsbücher einging. Viele Tamilinnen und Tamilen flüchteten. Weltweit bildete sich die tamilische Diaspora. Es war der Beginn eines fast 30-jährigen Bürgerkriegs. Erst im Mai 2009 endete der Krieg nach einer brutalen Offensive der Regierungstruppen. Viele Kriegsverbrechen sind bis heute nicht aufgearbeitet.

«Ich verstehe nicht, wie man alles, was man zusammen aufgebaut hat, aufgeben kann – nur wegen eines alten Reliktes.» Mit dieser Haltung ist Jeni nicht allein. «Egal, was man sich davor versprochen hat, die Familie kann einen solchen sozialen Druck aufbauen, dass die beste Beziehung zerbrechen kann», sagt Jaanu, eine Freundin von Jeni.

Jaanu auf einer Bank
Legende: Jaanu will ihre Mitmenschen zum Thema sensibilisieren. SRF

So etwas sei unendlich traurig, sie will deshalb proaktiv über das Kastenwesen sprechen, «damit die Menschen merken, dass ein solches System nicht in Ordnung ist».

Oft sei die Kastenzugehörigkeit wichtiger als alles andere. «Man kann eine erfolgreiche Ärztin sein, trotzdem wird man nicht respektiert», erklärt Jaanu.

Der eigene soziale Status hängt somit davon ab, wem die Vorfahren vor Jahrzehnten zugehörig waren, und kann aus eigener Kraft und trotz harter Arbeit nicht verändert werden. 

Jeni widerstrebt das Kastenwesen, die Werte seien völlig aus der Zeit gefallen, der Ursprung auf einem anderen Kontinent – trotzdem beeinflusst es auch den 28-Jährigen. «Wenn du all die Dramen siehst, die Konsequenzen kennst, dann macht das etwas mit dir.» Man achte dann unbewusst trotzdem auf die Kastenzugehörigkeit, egal, wie sehr man das System verachte.

Neue Generation, neue Werte

Freiheit bedeute, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen. So denken neben Jeni und Jaanu immer mehr jüngere Tamilen und Tamilinnen. Denn auch wenn der Status quo für viele Menschen hauptsächlich in tieferen Kasten teils für herzzerreissende Geschichten sorgt – die Entwicklung geht laut Jeni in die richtige Richtung.

Jeni und ein älterer Mann vor dem Tempel
Legende: «Es gibt immer mehr Ehen auch zwischen verschiedenen Kasten.» Jeni vor dem Tempel in Trimbach (SO). SRF

Immer mehr Verliebte verkennen das Kastensystem und heiraten aus Liebe. «Wenn ich sehe, wie die erste Generation Einwanderer gedacht hat, welche Werte wir Kids aus den Neunzigern in uns tragen und wie es heute nochmals anders aussieht, dann schaue ich auf einen schönen Wandel», so Jeni. «Wir werden immer freier.»

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SRF Virus, 19.02.2024 06:00Uhr

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