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Taylor-Swift-Konzerte abgesagt Wie steht es um die Sicherheit der Street Parade?

Nachdem wegen Verdachts auf einen Terroranschlag alle Konzerte des US-Superstars in Wien abgesagt wurden, steht diesen Samstag mit der Street Parade die weltweit grösste Technoparty vor der Tür.

Könnte auch die Street Parade Ziel eines Terroranschlags werden? Islamistische Terroristen nehmen wieder Grossanlässe ins Visier: Nachdem mutmassliche IS-Anhänger einen Anschlag auf ein Konzert des US-Superstars Taylor Swift in Wien verüben wollten, wurden alle drei Konzerte in Wien abgesagt. Und im Juni wurde bekannt, dass ein 17-jähriger Zürcher IS-Sympathisant einen Anschlag auf die Zurich Pride plante , den grössten queeren Umzug in der Schweiz. Die Street Parade, die grösste Technoparty der Welt, fällt ins gleiche Muster.

Geplanter Terroranschlag in Wien

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In Österreich sind mehrere junge Männer wegen Terrorverdachts festgenommen worden. Laut Polizeiangaben haben die Verdächtigen Anschläge bei Konzerten von Taylor Swift in Wien geplant. Der 19-jährige Hauptverdächtige ist umfassend geständig.

Ersten Ermittlungen zufolge soll er vorgehabt haben, am Donnerstag oder Freitag mit seinem Auto in die vor dem Ernst-Happel-Stadion wartenden Fans zu rasen. Ziel sei es gewesen, möglichst viele Menschen mit einem selbstgebauten Sprengsatz sowie Hieb- und Stichwaffen zu töten. Im Stadion wurden 60'000 Zuschauerinnen und Zuschauer erwartet, vor dem Stadion bis zu 20'000.

Alle drei Swift-Konzerte in Wien wurden aus Sicherheitsgründen ersatzlos abgesagt. Der 19-Jährige hatte im Juli einen Treueschwur auf die Terrororganisation Islamischer Staat abgelegt.

Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schätzt die Terrorbedrohung in der Schweiz ein. Er will nicht auf einen Einzelfall eingehen und schreibt auf Anfrage, dass die Terrorbedrohung erhöht bleibe, sich aber in den letzten Monaten «akzentuiert» habe. Spontane Gewaltakte mit einfachen Mitteln, verübt von dschihadistisch inspirierten Einzeltäterinnen und -tätern, blieben das wahrscheinlichste Bedrohungsszenario, so der NDB. Jedoch böten hierzulande auch Grossveranstaltungen für Dschihadisten attraktive Gelegenheiten für einen Anschlag. Für österreichischen Terrorismusforscher Nicolas Stockhammer stellten Veranstaltungen wie die Street Parade immer potenzielle Ziele insbesondere für Islamisten dar, weil sie die westliche Lebensweise symbolisierten und die Islamisten diese als dekadent und zu freizügig ansähen.

Welche Auswirkungen hat der geplante Anschlag in Wien auf die Street Parade? Die Geschehnisse um die Pride in Zürich oder jüngst in Wien flössen in die Vorbereitungen auf die Street Parade ein, sagt Judith Hödl, Sprecherin der Stadtpolizei Zürich. Entsprechend werde das Sicherheitsdispositiv erlassen. Es werde ein Grossaufgebot im Einsatz stehen; mit teils schwer bewaffneten Einsatzkräften auf den Strassen und Sondereinheiten zu Wasser und zu Luft. Zudem sicherten mobile Fahrzeugsperren die Hotspots der Parade.

Was wird für die Sicherheit an der Street Parade gemacht? Die Bekämpfung von Terroranschlägen sei seit Jahren Teil des Sicherheitskonzepts, sagt Stefan Epli, Leiter der Gesamtkommunikation der Parade. Dieses sei zusammen mit Stadt, Kanton und Bund erarbeitet worden und werde jährlich mit den aktuellen Begebenheiten verfeinert. Zu detaillierten Sicherheitsmassnahmen könne sich Epli nicht äussern. Es gebe aber eine Kommandozentrale an der Parade selbst. Und wenn doch etwas passieren würde, könnten die Organisatoren reagieren: «Wir sind kommunikativ so gut aufgestellt, dass wir das Festareal problemlos friedlich und ruhig räumen können.» Die Street Parade erwartet rund eine Million Feierende.

Experte rät zur «Gelassenheit»

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Wie soll man mit der ständigen Terrorismusgefahr in unserer Gesellschaft umgehen? Nicolas Stockhammer von der Donau-Universität Krems in Österreich, der seit über 30 Jahren zu Terrorismus und Extremismus forscht, rät zu einer «gewissen Gelassenheit» – so paradox es klingen mag. Man müsse den Behörden Vertrauen schenken, dass sie ihren Job machen und uns schützen.

Dies passiere auch in den meisten Fällen, so Stockhammer weiter: «Die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Terroranschlags zu werden, ist verschwindend gering.»

Hat es schon Anschlagsversuche auf die Street Parade gegeben? In den letzten 30 Ausgaben – heuer findet die 31. statt – gab es nur einmal einen Moment, als es kurz danach aussah. 2019 fanden Tanzfreudige an der Seepromenade am Utoquai einen orangen Rucksack. Ein Passant öffnete ihn – und es kam ihm verdächtig vor. Die Polizei wurde alarmiert, das Gebiet grossflächig abgesperrt. Ein Sonderkommando mit Bombenroboter eilte herbei, um den Rucksack während mehreren Stunden zu untersuchen – und später abzutransportieren. Einen Tag später stellte sich heraus: Im Rucksack befanden sich vier PET-Flaschen voller Benzin, Plastikröhren und Brennsprit – eine Attrappe, täuschend echt wie eine Bombe.

Attrappen-Bastler: Nicht Street Parade im Visier – und besoffen

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Eine Menschenmenge sehr eng aufeinander, dazwischen fährt ein Partywagen durch.
Legende: (An der Street Parade 2017.) KEYSTONE/Christian Merz

Der Attrappen-Bastler von 2019 hatte es gar nicht auf die Street Parade abgesehen, wie aus dem rechtskräftigen Strafbefehl gegen ihn hervorgeht, den die «NZZ» einsehen konnte. Der Mann hatte noch eine Rechnung in einem Erotik-Massage-Salon offen: Er fühlte sich um Geld betrogen. Der 31-Jährige hatte vor der Parade 2019 Angestellten bereits mit einem Messer gedroht und die Schaufensterscheibe mit einem Baseballschläger eingeschlagen.

Die Geschichte geht noch weiter: Der damals im Kanton Aargau wohnhafte Deutsche liess seinen Rucksack wohl nicht willentlich am Utoquai liegen: Die Securitys der Street Parade wurden auf ihn aufmerksam – aber nicht wegen der gebastelten Bombe, sondern wegen seines Zustands, wie die «NZZ» berichtete. Die Ordnungshüter brachten ihn in die Zentrale Ausnüchterungsstelle (ZAS), besser bekannt als «Hotel Suff».

Der deutsche Bastler wurde ein halbes Jahr später wegen versuchter Schreckung der Bevölkerung, Sachbeschädigung und Drohung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Zudem erteilte die Staatsanwaltschaft ihm die Weisung, sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, und zwar «so rasch wie möglich».

Echo der Zeit, 08.08.2024, 18:00 Uhr ; 

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