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Tierforscherin Marta Manser Die Erdmännchenversteherin aus Zürich

Seit über 30 Jahren erforscht die Verhaltensbiologin Marta Manser die Kommunikation der Tiere – und kann sie verstehen.

Marta Manser betritt das Erdmännchen-Gehege an der Uni Irchel, summt und schnalzt. So wissen die elf Erdmännchen, dass sie da ist und keine Gefahr droht. Die Tiere liegen im Schatten, unter einem Baumstamm, scharren im Sand nach Futter – und rufen ab und zu ihren Nachbarn. Es klingt wie ein Quitschen, Japsen oder Knurren. «Ein typisches Verhalten», sagt Manser. «Sie sind zwar getrennt unterwegs, kommunizieren aber unentwegt mit Kontaktrufen.»

Marta Manser mit einem Erdmännchen auf der Schulter
Legende: Die Erdmännchen an der Uni Irchel sind sich an den Kontakt mit Menschen gewöhnt und suchen sich den besten Aussichtspunkt. SRf/Katrin Oller

Kaum sitzt Marta Manser im Gehege, klettert ein Erdmännchen zuerst auf ihren Schoss, dann auf ihre Schulter. Dort gibt es die beste Aussicht! Erdmännchen sind an Menschen gewöhnt. Was die Tiere aber wirklich brauchen, ist ihre Gruppe. «Es ist das Schlimmste, was einem Erdmännchen passieren kann: Die Gruppe zu verlieren.»

Zur Person

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Aufgewachsen in der Ostschweiz, arbeitete Marta Manser als Biologielaborantin, bevor sie Biologie in Basel studierte und international forschte – unter anderem in Cambridge und Philadelphia. Seit 2015 ist sie Professorin für Verhaltensbiologie an der Universität Zürich. Dort beobachtet sie zusammen mit Studierenden und Doktoranden eine Erdmännchengruppe. Manser leitet ausserdem das Kalahari Meerkat Project in Südafrika. Ihre Forschung zeigt: Erdmännchen kommunizieren gezielt – etwa mit unterschiedlichen Warnrufen je nach Bedrohung.

(Quelle: Wikipedia)

Die ständige Kommunikation ist deshalb typisch für die sozialen Erdmännchen. «Mit ihren Rufen klären sie auch ab, ob sie noch näher zum Artgenossen kommen sollen oder besser Abstand halten», erklärt Manser. Passt der Abstand nicht, wird sofort mit entsprechenden Lauten reklamiert.

Ein Erdmännchen vor einem Stein
Legende: War da was? Mit ihrem sandfarbenen Fell sind die Erdmännchen gut getarnt. Trotzdem hören sie aufmerksam zu, was ihre Artgenossen zu sagen haben. SRF/Katrin Oller

Fliegt ein Vogel über das Gehege, schlägt die Tonart sofort um: Es wird gewarnt. Je nachdem, ob sich eine Gefahr aus der Luft oder am Boden nähert, sind es unterschiedliche Warntöne. Das Erstaunliche: Die Erdmännchen wurden im Gehege an der Uni Irchel noch nie angegriffen, warnen sich aber trotzdem.

Ursprünglich wollte sie Antilopen erforschen

Seit über 30 Jahren erforscht die heute 63-jährige Verhaltensbiologin die Sprache der Erdmännchen. Ihr damaliger Professor schlug ihr dieses Forschungsgebiet vor. Sie fand es so interessant, dass sie innert eines halben Tages von der Antilopen-Forschung auf Erdmännchen umschwenkte.

Marta Manser erforscht die Sprache der Erdmännchen nicht nur in Zürich, sondern auch in der Kalahari-Savanne im südlichen Afrika. Dort leitet sie eine Forschungsstation mit bis zu 50 Forschenden aus aller Welt.

Marta Manser in der Kalahari-Savanne
Legende: Marta Manser auf einer Aufnahme von 2014 in der Kalahari-Savanne. Jedes Jahr reist sie zweimal in die Forschungsstation und bleibt für mehrere Wochen. SRF Reporter

Unterdessen weiss Manser so viel über die Sprache der Erdmännchen wie wohl niemand sonst. Sie kennt all ihre Laute und versteht, was die Erdmännchen sich mitteilen: «Das finde ich fantastisch, ich höre ihre Rufe und weiss genau, in welcher Situation sie sind.»

Mit ihnen zu «sprechen», einen Dialog zu führen, sei aber nicht möglich, so Manser. «Wir verstehen sie, aber wir haben unsere Menschensicht. Wie ein Erdmännchen die Welt sieht, wissen wir nicht.»

Ich höre Ihre Rufe und weiss genau, in welcher Situation sie sind.

Wie diese Kommunikation unter den Erdmännchen entsteht, ist eine der zentralen Forschungsfragen, die Manser untersucht. Um sie zu beantworten, braucht es Jungtiere – ein neues Männchen soll deshalb im Gehege in Zürich für Nachwuchs sorgen. «Wenn alles gut geht, haben wir in 70 Tagen wieder Jungtiere.»

Erdmännchen in der Kahalari Wüste
Legende: In der Forschungsstation in der Kalahari-Savanne erhalten die Tiere Halsbänder mit Mikrofonen. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden die Tonaufnahmen kategorisiert. Zoe Turner

In der Forschungsstation in der Kalahari-Savanne werden die Erdmännchen in ihrem natürlichen Habitat untersucht. «Sie brauchen ein Jahr, bis sie uns ignorieren und keine Angst mehr haben.» Dann können Marta Manser und ihr Team die Tiere zu Fuss begleiten. Ausserdem tragen die Erdmännchen Sender, die Daten sammeln. «Wir haben unendliche viele Daten von diesen Tieren, von der Geburt bis zum Tod.» Das gebe es fast für keine andere Tierart.

Trotz der jahrelangen Forschung und der vielen Daten gebe es aber es noch viele offene Fragen. Zum Beispiel, was die Tiere alles wahrnehmen. Manser ist überzeugt: «Die Tiere nehmen ganz andere Dinge wahr als wir.» Welche das sind – das werde wohl die nächste Generation im Detail erforschen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 10.10.2025, 12:03 Uhr ; 

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