Marta Manser betritt das Erdmännchen-Gehege an der Uni Irchel, summt und schnalzt. So wissen die elf Erdmännchen, dass sie da ist und keine Gefahr droht. Die Tiere liegen im Schatten, unter einem Baumstamm, scharren im Sand nach Futter – und rufen ab und zu ihren Nachbarn. Es klingt wie ein Quitschen, Japsen oder Knurren. «Ein typisches Verhalten», sagt Manser. «Sie sind zwar getrennt unterwegs, kommunizieren aber unentwegt mit Kontaktrufen.»
Kaum sitzt Marta Manser im Gehege, klettert ein Erdmännchen zuerst auf ihren Schoss, dann auf ihre Schulter. Dort gibt es die beste Aussicht! Erdmännchen sind an Menschen gewöhnt. Was die Tiere aber wirklich brauchen, ist ihre Gruppe. «Es ist das Schlimmste, was einem Erdmännchen passieren kann: Die Gruppe zu verlieren.»
Die ständige Kommunikation ist deshalb typisch für die sozialen Erdmännchen. «Mit ihren Rufen klären sie auch ab, ob sie noch näher zum Artgenossen kommen sollen oder besser Abstand halten», erklärt Manser. Passt der Abstand nicht, wird sofort mit entsprechenden Lauten reklamiert.
Fliegt ein Vogel über das Gehege, schlägt die Tonart sofort um: Es wird gewarnt. Je nachdem, ob sich eine Gefahr aus der Luft oder am Boden nähert, sind es unterschiedliche Warntöne. Das Erstaunliche: Die Erdmännchen wurden im Gehege an der Uni Irchel noch nie angegriffen, warnen sich aber trotzdem.
Ursprünglich wollte sie Antilopen erforschen
Seit über 30 Jahren erforscht die heute 63-jährige Verhaltensbiologin die Sprache der Erdmännchen. Ihr damaliger Professor schlug ihr dieses Forschungsgebiet vor. Sie fand es so interessant, dass sie innert eines halben Tages von der Antilopen-Forschung auf Erdmännchen umschwenkte.
Marta Manser erforscht die Sprache der Erdmännchen nicht nur in Zürich, sondern auch in der Kalahari-Savanne im südlichen Afrika. Dort leitet sie eine Forschungsstation mit bis zu 50 Forschenden aus aller Welt.
Unterdessen weiss Manser so viel über die Sprache der Erdmännchen wie wohl niemand sonst. Sie kennt all ihre Laute und versteht, was die Erdmännchen sich mitteilen: «Das finde ich fantastisch, ich höre ihre Rufe und weiss genau, in welcher Situation sie sind.»
Mit ihnen zu «sprechen», einen Dialog zu führen, sei aber nicht möglich, so Manser. «Wir verstehen sie, aber wir haben unsere Menschensicht. Wie ein Erdmännchen die Welt sieht, wissen wir nicht.»
Ich höre Ihre Rufe und weiss genau, in welcher Situation sie sind.
Wie diese Kommunikation unter den Erdmännchen entsteht, ist eine der zentralen Forschungsfragen, die Manser untersucht. Um sie zu beantworten, braucht es Jungtiere – ein neues Männchen soll deshalb im Gehege in Zürich für Nachwuchs sorgen. «Wenn alles gut geht, haben wir in 70 Tagen wieder Jungtiere.»
In der Forschungsstation in der Kalahari-Savanne werden die Erdmännchen in ihrem natürlichen Habitat untersucht. «Sie brauchen ein Jahr, bis sie uns ignorieren und keine Angst mehr haben.» Dann können Marta Manser und ihr Team die Tiere zu Fuss begleiten. Ausserdem tragen die Erdmännchen Sender, die Daten sammeln. «Wir haben unendliche viele Daten von diesen Tieren, von der Geburt bis zum Tod.» Das gebe es fast für keine andere Tierart.
Trotz der jahrelangen Forschung und der vielen Daten gebe es aber es noch viele offene Fragen. Zum Beispiel, was die Tiere alles wahrnehmen. Manser ist überzeugt: «Die Tiere nehmen ganz andere Dinge wahr als wir.» Welche das sind – das werde wohl die nächste Generation im Detail erforschen.